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Das Kastanienhaus

Das Kastanienhaus

Titel: Das Kastanienhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liz Trenow
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Bruder zu verführen « , sagte ich und umarmte sie.
    » Er war leicht rumzukriegen « , kicherte sie und blickte zu John auf. » Was glaubst du denn? «
    » Erzähl mir bloß nicht, er ist vor dir auf die Knie gegangen. «
    » Ach komm, Lily. Du kennst doch deinen Bruder. Es geschah bei einem Bier in irgendeinem verrauchten Londoner Pub. «
    » Beim allerbesten Bier « , warf John ein. » Ich habe keine Kosten gescheut. «
    » Zeig mal den Ring. « Vera hielt ihren Finger hoch. Es war ein einfacher, eleganter Silberring mit einem Diamanten. » Ich habe gar nicht gewusst, dass du einen so guten Geschmack hast, John. «
    » Wir Männer verfügen eben über verborgene Talente « , sagte er und zwinkerte Vera zu.
    » Wie wollt ihr heiraten? « , fragte Mutter. » Kirchlich oder standesamtlich? «
    » Wir wissen noch nicht genau, wo und wann und wie « , sagte John. » Ich bin einfach überglücklich, dass sie mich will. «
    Es war so schön, ihn wieder zu Hause zu haben und ihn auch in Zukunft regelmäßig zu sehen. Seine Staffel war nämlich in Cambridgeshire stationiert – bloß ein paar Stunden von London und Westbury entfernt –, sodass er uns an dienstfreien Tagen besuchen konnte. Wir versuchten alle, nicht an die Gefahren zu denken, denen er bei der Air Force ausgesetzt sein würde. Auch Vera hielt sich tapfer, und erst nach ein paar Gläsern Champagner bekam ihre Maske Brüche. Ich fand sie im Bad, als sie die verlaufene Wimperntusche zu entfernen versuchte.
    » Am liebsten würde ich ihn einsperren und den Schlüssel wegwerfen « , schluchzte sie.
    » Das wäre das Einzige, was ihn aufhalten könnte « , stimmte ich ihr zu. Nachdem er mit Bestnoten seine Ausbildung zum Bomberpiloten abgeschlossen hatte, war John entschlossener denn je, seinen Beitrag zur Beendigung des Krieges und zur Niederwerfung Nazideutschlands zu leisten. » Immerhin scheint er ein sehr guter Pilot zu sein – hoffen wir mal, dass ihm nichts passiert « , sagte ich, doch meine Worte beruhigten weder sie noch mich.

Kapitel 13
    Der Legende nach wurde Seide von zwei persischen Mönchen in den Westen gebracht, die im Jahre 552 als christliche Missionare nach China gingen und neben ihrer frommen Aufgabe mit neugierigen Augen die Herstellung von Seide beobachteten. Da sie es offenbar empörend fanden, dass diese lukrativen Geschäfte lediglich Ungläubigen zugutekommen sollten, versteckten die Gottesmänner einige Seidenraupeneier in einem hohlen Stab und überreichten diesen bei ihrer Rückkehr nach Konstantinopel dem Kaiser Justinian gegen eine erkleckliche Belohnung.
    Aus: Die Geschichte der Seide von Harold Verner
    Im Mai 1940 klangen die Nachrichten vom Kontinent zunehmend düsterer.
    Deutsche Truppen standen in Holland und Belgien und rückten schnell durch Nordfrankreich vor. In East Anglia fühlten wir uns der Front gefährlich nah, da bloß ein schmales Wasser, der Ärmelkanal, zwischen uns und der anscheinend unaufhaltsamen Wehrmacht lag. Unsere Urlaubsstrände wurden zu für uns unerreichbaren Festungen ausgebaut, die Straßen dorthin gesperrt und die Brücken gesprengt – alles Vorkehrungen für den Fall der schon lange befürchteten Invasion. Selbst unserem neuen Premierminister Churchill gelang es trotz optimistischer Reden nicht, unsere Stimmung zu heben. Ein lähmendes Gefühl des Ausgeliefertseins senkte sich auf das ganze Land und das Leben eines jeden Einzelnen.
    Gleichzeitig nahmen Hysterie und panische Reaktionen zu. In dieser spannungsgeladenen Situation blühten Verdächtigungen aller Art, und hinter jeder Ecke witterte man einen Spion. Was durch offizielle Plakate, die zur Vorsicht mahnten, nur noch verstärkt wurde. Solche Warnungen, dass überall Gefahren lauern könnten, heizten das ungesunde Klima weiter an und schürten Misstrauen und Ängste. In der Tennishütte zog Stefan eines Abends die Titelseite einer Zeitung hervor und deutete auf die Schlagzeile. Sie lautete: Deutsche Spione der Sabotage überführt. Ich überflog eilig den Artikel. Es war eine reißerische, unwahrscheinliche Geschichte und endete mit dem Aufruf: Es ist die Pflicht eines jeden Briten, unser ruhmreiches Heimatland zu verteidigen: Melden Sie jegliches verdächtige Verhalten an Ihre örtliche Polizeidienststelle – sofort!
    » Was, wenn mich jemand anzeigt, Lily? Wegen meiner Papiere? Wegen meines Alters? Können die mich nach Deutschland zurückschicken? «
    » Deine Papiere waren gut genug, um dich hierherzubringen, oder? Niemand

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