Das Kastler-Manuskript - Ludlum, R: Kastler-Manuskript - THE CHANCELLOR MANUSCRIPT
jüngsten Entscheidungen«, sagte Paris.
»Das schließt alles ein, was Sie wollen.«
»Gut«, fuhr Paris fort. »Ich habe mir seit dem letzten Abend zwei Bücher von Peter Kastler besorgt. Ich weiß nicht, warum Sie ihn gewählt haben. Zugegeben, er hat einen scharfen Verstand und schreibt eine gute Prosa, aber er ist keineswegs ein Schriftsteller von bleibender Bedeutung.«
»Wir haben auch nicht auf literarische Leistung gesetzt.«
»Das tue ich auch nicht. Und ich habe auch nichts gegen populäre Romane. Ich beziehe mich damit nur auf diesen speziellen
Schriftsteller. Ist er ebenso fähig wie vielleicht ein Dutzend andere? Warum gerade er?«
»Weil wir ihn kennen«, warf Christopher ein. »Ein Dutzend andere kennen wir nicht.«
»Wie bitte?« Paris beugte sich vor.
»Ich weiß schon, was Christopher meint«, sagte Bravo. »Wir wissen ziemlich viel über Kastler. Vor sechs Jahren hatten wir Anlaß, uns um ihn zu kümmern. Sie kennen ja beide die Geschichte von Inver Brass; wir haben nichts vor Ihnen geheimgehalten. Unsere Beiträge, unsere Irrtümer. Ende der sechziger Jahre schrieb Kastler ...« Bravo hielt inne und sah Paris an. »... eine analytische Dissertation über den Zusammenbruch von Weimar und die Entwicklung eines militanten Deutschland. Er hätte beinahe Inver Brass identifiziert. Er mußte daran gehindert werden.«
Rings um den Tisch herrschte Schweigen. St. Chlaire wußte, daß der Neger und in ganz besonderem Maß der Jude an jene Tage zurückdachten. Jeder in seiner eigenen Pein.
»Und aus dieser Dissertation«, erklärte Banner und starrte Paris an, »wurde der Roman Reichstag! «
»War das nicht gefährlich?« fragte Paris.
»Es war fair«, erwiderte Venice.
»Es war auch ein Roman«, fügte Christopher, nicht besonders freundlich, hinzu.
»Das beantwortet meine Frage«, sagte Paris. »Es war ebenso eine Frage der Vertrautheit. Besser eine bekannte Person mit ihren Grenzen als eine unbekannte mit mehr Aussicht.«
»Warum bestehen Sie darauf, Kastler schlecht zu machen?« fragte Venice. »Wir sind hinter Hoovers Akten her, nicht hinter literarischer Anerkennung.«
»Subjektive Vergleiche«, antwortete der Gelehrte. »Er ist die Art von Schriftsteller, die mir auf die Nerven geht. Ich weiß einiges über die Ereignisse von Sarajevo und die damals herrschenden Zustände. Ich habe sein Buch gelesen. Seine Schlüsse basieren auf absichtlich falsch interpretierten Fakten und übertriebenen Assoziationen. Und doch bin ich sicher, daß Tausende von Lesern das, was er schreibt, als authentische Geschichte akzeptieren.«
Bravo lehnte sich in seinem Sessel zurück. »Ich habe das Buch auch gelesen, und weiß einiges über die Ereignisse, die zu Sarajevo führten. Würden Sie sagen, daß es ein Irrtum war, die industrielle Verschwörung mit einzubauen, wie Kastler das getan hat?«
»Natürlich nicht. Das ist gesichert.«
»Dann hatte er doch recht, gleichgültig wie er zu dem Schluß kam.«
Paris lächelte. »Wenn Sie mir verzeihen, ich bin wirklich erleichtert, daß Sie nicht Geschichte lehren. Aber, wie gesagt, meine Frage ist beantwortet. Was für neue Entwicklungen gibt es?«
»Die Entwicklungen können als Fortschritt gesehen werden; als nichts anderes.« Bravo beschrieb Kastlers Fahrt mit Alison zum Kennedy Airport, ihr Zusammentreffen mit der Militäreskorte und die Ankunft der Maschine mit dem Sarg des Generals. Wie Varak vorgeschlagen hatte, sprach St. Claire langsam und achtete auf jede Reaktion, die vielleicht darauf hindeuten könnte, daß jemand am Tisch seine Worte vorhersah, weil ihm die Ereignisse bekannt waren. Sie müssen auf die Augen achten, hatte Varak gesagt. Ein kurzes Sich-Umwölken reicht schon aus. Gewisse chemische Veränderungen ließen sich nicht verbergen; die Augen waren da wie ein Mikroskop.
St. Claire entdeckte keine Reaktionen. Nur völlige Konzentration eines jeden der am Tisch Sitzenden.
Er fuhr fort, das zu beschreiben, was er auf dem Band gehört hatte, was er auf Film gesehen hatte.
»Ohne Varaks Vorbereitungen hätten wir nichts von den außergewöhnlichen Aktionen erfahren, die man gegen Kastler ergriffen hat. Und es galt Kastler, nicht MacAndrews Tochter. Wir halten das für einen Versuch, ihn aus der Bahn zu werfen; ihn zu überzeugen, daß MacAndrews Rücktritt die Folge einer Kommando-Entscheidung war, die vor Jahren in Korea an einem Ort Namens Chasŏng getroffen wurde.«
Die Augen von Paris weiteten sich, er reagierte sichtbar. Dann
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