Das Kellerzimmer (German Edition)
Ingmar es damals aber gezeigt. Mitten in der Nacht war er bei dieser fürchterlichen Elaine aufgetaucht und hatte ihr ein Foto ihres Mannes gezeigt, wie er sich mit einem sehr jungen Ding getroffen hatte. Wenig später war Mats ausgezogen. Elaine hatte das nur Ingmar zu verdanken, fand Lisa. Allerdings ließ sich die Schlampe jetzt noch mehr gehen, dabei sah sie eigentlich sehr gut aus. Und nun war auch noch die Tochter ausgezogen; Chantalle, die aussah wie eine Nutte. Ingmar wurde richtig wütend, wenn er diese Person manchmal sah und ereiferte sich: „Wenn Julia jemals so rumlaufen würde, bekäme sie zwei Nächte Schläge und würde nackt auf dem Stuhl landen!“ Aber Julia lief so nicht rum, Gott sei Dank.
Als am nächsten Tag ihre Familie das Haus verlassen hatte, setzte sich Lisa wie gewohnt auf ihren Küchenstuhl am hohen Sprossenfenster und trank eine Tasse Kamillentee. Der beruhigte sie und sie musste jetzt wirklich ganz konzentriert vorgehen. Sie war noch früher als sonst aufgestanden, hatte sich eine enge braune Stretchhose mit leichtem Schlag angezogen und ihren wollweißen Mohair-Pullover, den sie seit vielen Jahren hegte und pflegte. Ihre Haare trug sie heute ganz glatt und hatte dafür fast eine halbe Stunde gebraucht. Alles an Lisa war perfekt, sie liebte das Gefühl, wenn Ingmar sie bereits morgens bewundernd beobachtete und ihr auf den knackigen Po starrte. Sobald sie die Absage bei Hanna hinter sich gebracht hatte, wollte sie sich wieder umziehen und mindestens eine halbe Stunde auf dem Stepper schwitzen. Ihr Aussehen war das Ergebnis harter Arbeit und sie mochte kaum daran denken, was wäre, wenn sie jemals faltig und fett werden würde. Es war so wichtig attraktiv für seinen Mann zu bleiben – man sah ja deutlich an Hanna, wie es endete, wenn man sich gehen ließ. So widerlich Don Fetti auch wirkte, aber dennoch konnte Lisa ihn verstehen. Selbst sie als Nachbarin wollte Hanna nicht sehen, wie musste es da erst dem eigenen Ehemann gehen?
Zögernd griff sie zum Hörer und wählte die Nummer von Zielkes, die sie längst auswendig kannte, so oft hatte sie schon im Telefonbuch die Telefonnummern der Nachbarn angestarrt. Warum sie das immer wieder tat, wusste sie selbst nicht, aber es verlieh ihr ein seltsames Gefühl von Macht.
„Hanna Zielke?“, meldete sich die Nachbarin.
„ Hallo Hanna, hier ist Lisa.“ Lisa stand auf und ging mit dem Telefon an den Wachposten. Vielleicht könnte sie drüben etwas erkennen, wie Hanna unruhig von einem Raum zum nächsten lief zum Beispiel. Doch die Jalousien waren so gedreht, dass der Blick versperrt blieb. Lisa wurde wütend.
„ Du, es tut mir sehr leid, aber ich kann leider nicht kommen. Mich hat es voll erwischt, irgendein Magen-Darm-Virus. Die Kinder hatten es auch schon.“
„ Oh, schade.“ Hanna klang richtig traurig.
„ Na ja, wir können es ja vielleicht ein anderes Mal nachholen. Mir geht es so schlecht, das kannst du dir gar nicht vorstellen“, jammerte Lisa und fühlte sich auf einmal wirklich elend.
„ Du Arme, klar, kurier dich mal ordentlich aus. Wollen wir es auf nächste Woche verschieben? Und kann ich dir irgendwie helfen, für dich einkaufen fahren zum Beispiel?“
„ Nein danke, das ist nicht nötig. Ich komm schon klar… Was ich noch fragen wollte – ist mit Sören alles okay?“
Hanna stockte kurz. „Ja, klar, wieso?“
„Ach, egal, geht mich ja auch nichts an… Sorry, wirklich.“
„ Nein, sag ruhig, Lisa, was meinst du denn?“
„ Wirklich nichts Bestimmtes, nur so ein Gefühl. Weil er abends so oft noch wegfährt. Nicht, dass er Stress im Job hat oder so. Ingmar meinte auch, dass solche Karrieremenschen schnell einen Burn-Out bekommen. Oder fährt dein Mann abends woanders hin?“
Eigentlich ging Lisa das gar nichts an, aber Hanna überhörte die innere Warnglocke.
„Doch, doch, er fährt oft noch spät ins Büro, weil er so viel zu tun hat, weißt du. Aber ich glaube, er ist ein Typ, der damit gut zurecht kommt. Ich könnte das nicht, bin dafür viel zu faul.“
Hanna lachte gekünstelt und Lisa stimmte in das falsche Lachen ein.
„Weißt du, ich kontrollier immer, was Ingmar so macht. Männer!“ Lisa lachte auf und schien gar nicht mehr so krank zu sein, wie zu Beginn des Gesprächs. Misstrauen machte sich in Hanna breit. Beobachtete Lisa sie etwa heimlich? Na gut, wenn sie ehrlich zu sich selbst war, beobachtete sie ebenfalls gerne andere Leute. Sie war beispielsweise sehr neugierig, was diese
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