Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
steckte sie den Anschluss wieder in die Buchse. Genau in dem Moment klingelte das Telefon erneut. Sie griff sofort nach dem Hörer und flehte „Ingmar?“ Doch statt einer Antwort kam nur wieder dieses schnelle und tiefe Stöhnen aus dem Apparat, als würde jemand hinter ihr her sein. Oder sich einen runterholen. Entsetzt drückte Lisa auf den roten Knopf und riss den Stecker mit einem Ruck aus der Wand. Sie rannte zurück in ihr Schlafzimmer und verschwand unter der Bettdecke. Den Rest der Nacht lag sie zusammengerollt und hellwach in ihrem Bett. Erst im Morgengrauen wurde sie müde, doch sie musste die Kinder wecken und sich um den Haushalt kümmern.
Am späten Vormittag hämmerte Hanna aufgeregt gegen Lisas Tür. Widerwillig öffnete Lisa ihrer Nachbarin. Ihre Gefühle für Hanna wechselten fast täglich zwischen genervt sein und sehnsüchtig. Lisa wusste einfach nicht, was sie für Hanna empfinden sollte. Ingmar hasste die Don-Fetti-Frau. Wegen ihr saß er im Gefängnis. Und sie selbst liebte ihren Mann doch so sehr! Durfte sie wirklich mit Ingmars schlimmster Feindin befreundet sein? Andererseits sorgte Hanna dafür, dass Lisa überhaupt durchhielt. Sie redete auf sie ein, erklärte ihr, dass niemand sich von seinem Mann verprügeln lassen musste und zwang sie zum Essen. Ohne Hanna wäre Lisa vermutlich längst verhungert. Wenn Hanna von ihren Problemen mit Sören berichtete, tat Lisa so, als würde sie mitleiden. In Wirklichkeit aber war sie heilfroh, dass dieser schmierige Don Fetti auch Probleme am Hals hatte. Schade, dass er selbst nicht auch in den Knast wandern musste, aber immerhin war er vorerst in ein Hotel gezogen.
„Komm rein“, bat Lisa, „du musst entschuldigen, ich habe noch nicht durchgesaugt.“
„Ach, Lisa“, lachte Hanna kurz auf, „ob mir das wohl egal ist… Wieso gehst du denn nicht ans Telefon? Ich versuch seit Stunden dich zu erreichen!“
„Du hast doch selbst gesagt, dass ich den Stecker rausziehen soll. Der Typ hat wieder angerufen, ich bin fix und fertig!“
„Scheiße, das tut mir leid! Wann denn?“
„Letzte Nacht, so gegen drei. Dieses Gestöhne macht mich wahnsinnig; wenn ich das Telefon sehe, dann werden mir schon die Knie weich. Ich habe einfach nur Angst!“
„Komm, lass uns mal ins Wohnzimmer gehen“, schlug Hanna vor. Inzwischen hatte sie sich an die geschmacklose Einrichtung gewöhnt und wie immer die Gesprächsführung übernommen. Hanna tat es gut, wenn sie nicht an ihre eigenen Probleme denken musste, sie bemutterte Lisa regelrecht. Artig setzte Lisa sich auf ihre orange Couch und musterte Hanna verstohlen. Hatte sie weiter zugenommen? Die Jeans beulte aus und vermutlich dachte Hanna, dass das lässig aussah. Von wegen; Hanna wirkte wie ein Trampeltier und um ihre Haare hatte sie sich auch schon wieder nicht gekümmert.
„Also, krieg jetzt bitte keine Panik, Lisa, aber ich hab das Gefühl, jemand beobachtet dich. Seit drei Tagen steht manchmal ein dunkelblauer Kombi in der Veilchengasse und zwar genauso, dass der Fahrer oder Beifahrer zu deinem Haus gucken kann. Ich wollte es dir erst nicht sagen, weil ich mir sicher sein wollte. Blöderweise hab ich mir das Kennzeichen nicht gemerkt, aber es war nicht aus unserem Landkreis, soviel weiß ich.“
„Oh Gott, Hanna, was soll ich denn jetzt machen, bestimmt will mir jemand an die Gurgel! Oder den Kindern!“ Lisa fing an zu weinen und schlug sich die Hände vor ihr zartes Gesicht. Wie gut sie trotz all dem aussah, dachte Hanna neidisch.
„Ruf die Polizei an. Oder ich mach das; ist mir egal. Die sollen dir Personenschutz geben.“
„Die sind immer so unfreundlich zu mir oder machen anzügliche Sprüche. Kannst du für mich anrufen?“, jammerte Lisa wie ein Kleinkind. Es gab durchaus Momente, in denen auch Hanna sich vorstellte, wie blöde sich Lisa ihrem Mann gegenüber verhielt. Wie konnte man nur so devot sein! Hanna griff nach ihrem Handy und rief den ermittelnden Beamten an.
„Fritz“, meldete sich dieser.
„Guten Tag, Herr Fritz, Hanna Zielke aus der Veilchengasse. Haben Sie kurz Zeit?“
„Hallo Frau Zielke, na klar. Wie geht es Ihnen?“
„Ach, danke, den Umständen entsprechend, wie man so schön sagt. Ich habe jetzt einen Psychologentermin bekommen. Na ja, mal schauen, ob das was bringt.“
„Sie sollten diese Termine unbedingt wahrnehmen, Frau Zielke. Was Sie bei Suhrhoffs im Haus erlebt haben, war kein Pappenstil.“
„Ja, okay. Weswegen ich aber eigentlich anrufe, Herr
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