Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
schien nett zu sein und genauso froh über eine kleine Abwechslung wie sie selbst.
Hanna quälte sich aus ihren engen Klamotten und zog sich weitere Sachen an. Es wurde Zeit fürs Abendbrot, das sie heute zusammen mit Kimberley essen wollte. Sonst aß jede für sich allein vor dem Fernseher, aber Hanna wollte das ändern. Auch wenn Sören noch arbeitete, konnte sie trotzdem eine vertraute Situation am Familientisch herbeiführen. Lisa hatte vollkommen recht – man musste solche Dinge vorleben, damit die Kinder sich wohlfühlten.
***
Ingmar würde ausrasten. Lisa musste ihren Nachmittag irgendwie in passende Worte kleiden, damit er nicht richtig sauer werden würde. Also empfing sie ihn schon an der Haustür so, wie er es besonders gerne hatte – anschmiegsam und ohne Fragen. Es war ein harter Tag gewesen, nur einen einzigen Abschluss hatte er gemacht. Sein fürchterlicher neuer Kollege hatte zwei Neuwagen verkauft und er nur einen. Da lernte man das Jungvolk gut an und das war der Dank dafür! Noch einmal passierte ihm das nicht, da war Ingmar sich sicher. Er war froh, dass er heute Abend ein Date mit seiner eigenen Frau hatte. Den ganzen Tag hatte er sich an Lisas Kuss am Frühstückstisch erinnert. Wo gab es so was noch, dass ein Ehepaar sich selbst nach sechzehn Jahre Ehe dermaßen nacheinander verzehrte?
Sie sah rattenscharf aus. Im Schritt war der Overall, den er ihr im vorletzten Urlaub gekauft hatte, ein bisschen eng und das heizte ihn nur noch mehr an. Hoffentlich würden sie mit dem Abendessen bald durch sein und die Kinder in ihren Zimmern verschwunden. Endlich war es soweit, alle waren satt und standen auf.
„Darf ich noch im Bett lesen?“, fragte Sebastian.
„Na klar, aber um viertel nach acht geht das Licht aus, Sportsfreund!“, sagte Ingmar.
„Ich chatte noch ein bisschen und lern dann für Bio“, nuschelte Julia. Normalerweise hätte Ingmar was gegen das Chatten gesagt, aber heute wollte er nur eines: mit Lisa allein sein. Als sie aufstand und ihm von der Spüle aus den Rücken zudrehte, sagte sie:
„Du glaubst nicht, wer heute hier war!“
Mit hochrotem Kopf drehte sie sich um und zwang sich, nicht durchzudrehen vor Angst.
„Hier? Bei uns?“, fragte Ingmar misstrauisch und stellte sich dicht vor seine Frau.
„Ja, gegen vier nachmittags. Auf einmal klingelte es an der Tür. Und dann stand die Don-Fetti-Alte vor mir.“
„Die Dicke von gegenüber? Du verarscht mich doch nicht?“
Ingmar griff sich das Kinn seiner Frau und zog es grob zu sich hoch. Ihr Herz pochte wie wild und ihre Gedanken überschlugen sich. Jetzt nur nichts Falsches sagen!
„Nein, echt wahr! Sie kam hier angewackelt und wollte mich zum Kaffeeklatsch einladen. Fragte, ob ich mit rüberkommen will! Kannst du dir das vorstellen?“
Lisa schob ihr Becken vor und spürte die Erregung ihres Mannes. Sie wusste, dass es in seinem Innern tobte und hoffte nur, dass er nicht aggressiv werden würde. Doch es war bereits zu spät.
„Du miese Schlampe“, zischte er und presste sich ganz dicht an sie, so dass sie sein steifes Glied durch die Kleidung spürte. „Was hast du ihr erzählt? Wie lange war sie hier? Wenn du ein Wort von Vivien gesagt hast, wirst du eine Woche lang das Haus nicht verlassen können.“
„Nein, Schatz, natürlich nicht. Ich hab sie reingebeten – denkst du, ich wollte zu denen rüber in ihr Angeberhaus? Ich dachte mir, dass ich sie dann eben lieber bei uns habe und die Kontrolle nicht verlier. Verstehst du?“
Ängstlich griff sie nach hinten und hielt sich an der Arbeitsplatte fest. So sehr Ingmar es auch sonst mochte, wenn sie ihn scharf machte – aber in solchen Situationen musste sie absolut devot sein. Vielleicht ginge auch dieses Mal alles gut. Ingmar schaute sie zornig an und packte sie grob am Oberarm.
„Ich will alles wissen, worüber ihr gesprochen habt, jedes Wort. Nicht, dass das noch einmal passiert wie mit Schlichtings!“
Fast drei Jahre war es jetzt her, dass Lisa sich mit Eva Schlichting angefreundet hat, aber trotzdem hielt Ingmar ihr es fast täglich vor. Er würde es ihr nie verzeihen, dass sie Fremden gegenüber von Vivien erzählt hatte. Sie war doch schon genug bestraft worden, verdammt! Warum musste er immer wieder davon anfangen? Doch sie durfte jetzt nicht zornig werden und bemühte sich um den richtigen Ton zwischen zu unterwürfig und vorlaut.
„Endlich kann ich es dir erzählen, Schatz – ich konnte doch eben nicht wegen der Kinder! Wollen wir ins
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