Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe
schnell wie möglich zu Papa ziehen.“
Teil 3 – Mädchen
Auf die Idee mit dem Escort-Service kam Chantalle nach einem sagenhaften Date. Der Typ war charmant und großzügig gewesen – und verheiratet. Mal wieder. Immer häufiger geriet Chantalle an Männer mit Ehering. Sie konnte mit jungen Typen einfach nichts mehr anfangen, seit sie mit Sören zusammen gewesen war. Unter 30 kam ihr keiner mehr ins Bett, denn solche Exemplare verhielten sich egoistisch und waren nur auf ihre eigene Befriedigung bedacht. Je älter hingegen die Herrschaften waren, desto zuvorkommender verhielten sie sich. Sie machten Chantalle Komplimente. Verwöhnten sie vom Kopf bis zu den Zehenspitzen. Brachten teure Geschenke mit. Und der letzte hatte ihr einen Hunderter auf den Nachttisch gelegt, mit einem Zettel daneben:
Bitte nicht falsch verstehen – junge Leute können doch immer ein bisschen Geld gebrauchen und ich wollte dir einfach etwas Gutes tun. Kuss!
Chantalle war nicht eine Sekunde lang entsetzt gewesen. Warum sich etwas schenken lassen, was man sich viel besser allein kaufen konnte? Seit Wochen war sie um einen mattsilbernen Armreif in der Auslage eines neuen Juweliers herumgeschlichen. Nun gönnte sie ihn sich. Auf diese Idee wäre kein Mann der Welt gekommen – die hätten ihr glitzernde Ohrringe oder den hundertsten Stringtanga geschenkt. Man musste die Sache praktisch angehen, beschloss Chantalle. Sie wollte nicht so enden wie ihre Mutter. Die war zwar immer noch eine Schönheit – wenn sie sich denn mal um ihr Äußeres kümmerte. Aber Elaine hatte sich gerade, nach jahrelanger Abstinenz, einer Internetliebe für lau hingegeben. Wäre doch prima gewesen, wenn dabei wenigstens ein Geldschein herausgesprungen wäre. Stattdessen war sie nun noch gefrusteter als zuvor und würde nie wieder einen Mann an sich ranlassen.
Das Wichtigste war, dass niemand etwas von dem Nebenjob mitbekam. Chantalle träumte davon, nur wenige Jahre in der Bank arbeiten zu müssen. Sie würde vermutlich einen Einser-Abschluss hinlegen, denn das Lernen fiel ihr leicht. Aber dauerhaft von früh bis spät mit Zahlen zu jonglieren war nicht gerade das, was sie sich unter einem erfüllten Leben vorstellte. Sie wollte richtig viel Geld haben, reisen, schöne Kleidung besitzen und unabhängig sein. Mit 30 würde sie dann mit dem Escort-Job aufhören und sich einen reichen und gutaussehenden Mann suchen. So war der Plan – und bisher hatte Chantalle alles erreicht, was sie sich in den Kopf gesetzt hatte.
Nach Feierabend verließ Chantalle gut gelaunt die Bank. Ihre Sportklamotten hatte sie morgens bereits eingepackt und so stolzierte sie auf ihren acht Zentimeter hohen High Heels direkt zum Fitnessstudio. Die Männer auf der Straße lächelten ihr zu, einige pfiffen, andere nickten anerkennend. Ja, Chantalle war sich ihrer Wirkung auf Männer bewusster denn je und würde den heißen, aber etwas dümmlichen Fitnesstrainer zu ihrem ersten richtigen Kunden machen.
„Hallo“, rief sie gutgelaunt über den Tresen, nachdem sie das Studio betreten hatte. Volltreffer, das Objekt der Begierde nahm in der ersten Sekunde von ihr Notiz und bekam glänzende Augen.
„Hey, Chantalle“, sagte Erik und straffte seinen imposanten Oberkörper angeberisch. Groß ist er grad nicht, ging es Chantalle durch den Kopf, aber die Muskeln sahen beachtlich aus. Warum ein erwachsener Mann hauptberuflich als Fitnesstrainer arbeitete, erschloss sich ihr nicht. Viel Geld würde er nicht haben, aber er war total scharf auf sie. Bisher hatte sie ihn immer gnadenlos abblitzen lassen. So einer wie er würde nie eine Chance bei einem Upper-Class-Mädchen wie ihr bekommen. Außer, wenn er dafür zahlte.
„Kann ich heute ein Einzeltraining von dir bekommen?“, fragte Chantalle den sonnenbankgebräunten Mann und ignorierte die Zicke hinter der Theke.
„Jetzt gleich?“
„Ja, bitte. Ich brauche unbedingt ein paar Hilfestellungen. Und dann noch Tipps, wie ich meine Problemzonen in den Griff bekomme.“
„Wo hast du denn Problemzonen?“, fragte Erik und musterte Chantalle bewundernd und anzüglich zugleich.
„Die sieht man vielleicht nicht auf den ersten Blick.“ Sie machte eine vielsagende Pause und fuhr dann ernsthaft fort. „Da müsstest du mich etwas besser kennenlernen.“
Lange trainierten Chantalle und Erik nicht an den Geräten. Bereits nach zehn Minuten am Crosstrainer und ein paar weiteren anheizenden Sprüchen, war Erik kurz davor, mitten im Studio über sie
Weitere Kostenlose Bücher