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Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe

Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe

Titel: Das Kellerzimmer - Gesamtausgabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Marie Milton
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das Ave Maria . Die gesamte Nachbarschaft fände sich ein und ihre neuen Freundinnen Hanna und Elaine weinten laut, während die Glocken läuteten. Vielleicht käme jemand auf die Idee, weiße Luftballons zum Himmel steigen lassen. Wie in einem amerikanischen Film stünden die Trauergäste im Kreis inmitten einer Lichtung und folgten dem Blick der Ballons, wie sie höher und höher stiegen.
    Stundenlang konnte Lisa sich in Phantasien um ihre eigene Beerdigung ergehen. Sie weinte ein bisschen, schlief kurz ein, wurde geweckt vom Krabbeln kleiner Spinnen auf ihrem Gesicht und wischte sie nur achtlos zur Seite. Je länger sie im Wald lag, desto gelassener wurde sie. Dann kam der Hund. Das war nicht die Art des Sterbens, die sie sich gewünscht hatte. Instinktiv riss Lisa die Hände vors Gesicht und versuchte mögliche Bisse abzuwehren. Doch der Köter rannte nur bellend um sie herum und machte einen Höllenlärm. Solch einen Krach hatte Lisa seit Tagen nicht gehört, in ihren Ohren dröhnte es. Von Weitem hörte sie die Stimme eines Mannes.
    „Bobby! Bobbyyyy, Bobby, komm!“
    Nach endlosen Minuten stand ein älterer Herr etwa zwei Meter von Lisa entfernt, weiter oben an der Böschung, die sie heruntergefallen war.
    „Oh mein Gott, junge Frau! Bobby, hier her, sofort, bei Fuß!“
    Bellend zog der Hund ab und Lisa atmete durch. Nun war sie doch sehr erleichtert, dass er sie nicht totgebissen hatte. Hätte bestimmt ziemlich weh getan.
    „Hilfe!“, wisperte Lisa und erschrak sich fast selbst. Sie hatte sich lange nicht mehr sprechen gehört. Sie versuchte es lauter: „Hilfe, ich brauche Hilfe. Ich liege schon ewig hier. Ich kann nicht laufen.“
    „Oh mein Gott“, sagte der Opa schon wieder. Hoffentlich ging der jetzt nicht wieder weg. Die Lebensgeister kamen zurück und ließen Lisas Verstand erwachen.
    „Sie müssen mir helfen, haben Sie ein Handy dabei?“
    „Ja, aber ich weiß gar nicht, wie das angeht. Ich benutz solche Dinger doch nie. Oh Gott, wie lange liegen Sie denn schon hier? Hat Sie jemand überfallen?“
    „Seit zwei Tagen. Ich brauche sofort Hilfe, bitte!“
    „Ist denn der Übeltäter noch hier in der Gegend?“, fragte der Mann ängstlich. Was war das denn für ein Blödmann? Der sollte ihr endlich helfen und runterkommen, verdammt! Wobei – Lisa kam eine Idee. Dass sie darauf nicht schon längst gekommen war!
    „Nein, er ist bestimmt weg. Er hat mich nur entführt, aber sonst nichts gemacht. Geht schon. Aber mein Bein tut so weh.“ Das war’s! Lisa würde einfach behaupten, dass man sie entführt habe. Dann müsste sie sich nicht rechtfertigen, weil sie weggelaufen war. Dieser Geistesblitz weckte endgültig alle Lebensgeister in ihr. Sie schimpfte auf den Mann ein, der immer noch wie vom Donner gerührt zusammen mit dem Hund auf sie herabblickte und nichts unternahm.
    „Sagen Sie mal, wollen Sie, dass ich hier verrecke? Ich wäre beinahe gestorben, wenn Ihr Hund mich nicht entdeckt hätte. Danke, Bobby, du bist deutlich cleverer als dein Herrchen!“
    „Dafür, dass Sie sterbenskrank sind, sind Sie aber recht munter. Also, ich hole Hilfe. Das kann aber ein bisschen dauern, ich muss ja erst zu meinem Wagen zurück und fahre dann zur Polizei. Wie heißen Sie eigentlich?“
    „Ich kann hier sowieso nicht weg“, zeterte Lisa, „Sie brauchen nicht ganz bis zur Polizei zu fahren; wer weiß, wo das ist! Halten Sie einfach das nächste Auto an oder klingeln Sie an einer Tür. Die sollen dann einen Krankenwagen rufen, den brauch ich nämlich dringender. Lisa Suhrhoff heiße ich, Suhrhoff! Man hat mich aus der Klinik verschleppt.“
    „Hm. Gut. Tschüss.“
    „Ja, ja, tschüss.“ Der Typ hatte doch definitiv nicht alle Latten am Zaun. Aber egal, Hauptsache, sie wurde gerettet. Lisa war es mittlerweile sogar gleichgültig, dass sie sich mehrfach in die Hose gepinkelt hatte. Es dauerte Ewigkeiten, bis sie endlich Stimmen hörte.
    „Hallo!“, schallte es durch den Wald, „Frau Suhrhoff, bitte antworten Sie, hallo!“
    Lisa dachte gar nicht daran zu antworten. Die würden sie schon finden, das war schließlich deren Job. So sehr sie den Opa angeschnauzt hatte, so passiv war sie jetzt wieder. Ja, Lisa Suhrhoff war dem Tod nur sehr knapp entkommen. Wieder einmal. Das sollte man ihr gefälligst auch anmerken.
    Als die Rettungsmannschaft anrückte, war Lisa doch überrascht. Um sie herum wuselten sicherlich acht Leute – Sanitäter, ein Notarzt, Polizisten, normal gekleidete Menschen. Alles

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