Das Kettenlädenmassaker
Tresen lag. »Wieso denn das?«
Neville nahm Mister Compton-Cummings’ posthume Publikation auf und blätterte ziellos darin herum. »Nun ja, ich hab’ erst gestern mit diesem Gary geredet. Du kennst den Burschen, groß, gutaussehend, vornehmer Anzug, hat immer so ein …« Neville brach ab und schnitt eine hilflose Grimasse.
»Mobiltelephon«, sagte Omally und bekreuzigte sich.
»Ganz genau das, und diese Ausgeburten der Hölle bleiben bis zum Ende aller Tage im Fliegenden Schwan verboten. Wo war ich stehengeblieben. Ach ja, dieser Gary. Er arbeitet bei Bastard-Lubber, dem Laden, der dieses Buch herausgibt. Wir sind während unserer Unterhaltung darauf gekommen.«
»Ach ja?« fragte Jim. »Einfach so, rein zufällig, wie? Du hast nicht insgeheim auf ein Freiexemplar spekuliert, nein?«
Nevilles Gesicht zeigte den unschuldigen Ausdruck des schuldigen Mannes. »Wie gesagt, wir sind während unserer Unterhaltung darauf gekommen, und Gary hat mir erzählt, daß es eigentlich diese Woche veröffentlicht werden sollte, und zwar ganz genau heute. Aber um elf Uhr wurden sämtliche Exemplare vom Markt genommen und eingestampft.«
»Meine Fresse«, sagte Jim.
»Na, na, achte auf deine Ausdrucksweise«, ermahnte ihn Omally.
»Alle eingestampft«, sagte Neville. »Selbst das Originalmanuskript mußte vernichtet werden.«
»Aber warum?«
»Gary wußte es nicht so genau. Aber er war mächtig stinkig. Das Buch war für den Weltmarkt gedacht. Er und die anderen haben damit gerechnet, Millionenauflagen zu verkaufen.«
Jim starrte düster in sein Glas. »Soviel zu der ›kleinen, elitären Minorität‹.«
»Gary hat geflucht, weil er nicht einmal die Gelegenheit hatte, das Buch selbst zu lesen. Aber er meinte, daß es verschiedene ›sensationelle Enthüllungen‹ darin gegeben hätte und daß der Befehl zum Einstampfen von ganz oben gekommen sei.«
Jim verdrehte die Augen zur rauchgeschwärzten Decke des Fliegenden Schwans und starrte blicklos nach oben, als würde er dahinter die Ewigkeit sehen. »Was denn, von Gott?« flüsterte er.
»Von der Geschäftsführung«, sagte Neville.
Omally pflückte dem Teilzeitbarmann das Buch aus den Händen. »Ihr seid vielleicht zwei Kasper«, sagte er. »Dieser Gary hat dich auf den Arm genommen, Neville. Das war doch alles nur, um Publicity zu kriegen.«
»Glaubst du wirklich?«
»Jawohl, das tue ich«, sagte Omally. »Und zum Beweis, daß ich recht habe, nehme ich dieses Ding jetzt mit zu mir nach Hause und lese es von vorne bis hinten durch. Und wenn irgend etwas drin steht, das die Aufregung wert ist, lasse ich es euch wissen.«
»Das denke ich nicht«, sagte Pooley und nahm sein Buch wieder an sich. Es war schwierig, aber schließlich schaffte er es doch. »Schließlich war ich es, der unter den Fingerspitzen des martialischen Genealogen gelitten hat, und falls dieses Buch irgend etwas enthält, das auch nur annähernd sensationell ist oder sich in einen finanziellen Gewinn verwandeln läßt, dann sollte doch wohl ich derjenige sein, der davon profitiert.«
»Der Gedanke an einen möglichen finanziellen Vorteil ist mir noch gar nicht gekommen«, sagte Omally in einem Ton, der die beiden anderen sicherlich überzeugt hätte, wären sie nicht so lange miteinander bekannt gewesen. »Aber da er offensichtlich bei dir erwacht ist, meinetwegen. Meinen Segen hast du.«
»Danke sehr, John. Ich werde sehen, was sich machen läßt.«
Omally hob sein Glas und prostete den anderen zu. »Dort, Neville«, sagte er, »siehst du einen Mann mit eisernem Willen und furchtloser Entschlossenheit. Ein Beispiel für uns alle. Wir trinken auf Jim Pooley, den Mann ohne Nerven.« Omally nahm einen tiefen Schluck.
»Den Mann mit was?« fragte Jim.
»Ohne Nerven. Jemand, der ein großes Risiko eingeht. Ein mächtig großes Risiko.«
»Was für ein Risiko?«
»Und wie bescheiden er ist«, sagte John. »Als wüßte er überhaupt nicht, worauf er sich einläßt.«
»Wovon redest du da?«
»Nun, einmal angenommen, dieses Buch enthält tatsächlich ›sensationelle Enthüllungen‹. Sie müssen schon verdammt sensationell sein, wenn ein Verlagshaus von der Größe von Bastard-Lubber es zurückruft und lieber Millionen Exemplare einstampfen läßt, als die Konsequenzen einer Publikation zu riskieren.«
»Hm«, sagte Jim. »Vielleicht.«
»Denk meinetwegen, daß ich unter Verfolgungswahn leide, aber findest du nicht die Tatsache höchst verdächtig, daß der Autor ausgerechnet an dem Tag, an
Weitere Kostenlose Bücher