Das Kind, das deinen Namen traegt
die Wand. Sie fühlte sich deprimiert, mit all ihren Problemen allein gelassen und fraß den ganzen Kummer verzweifelt in sich hinein.
Plötzlich stand sie auf, ging in Michaels Büro und schloss die Tür hinter sich zu. Das hatte sie noch nie zuvor getan. Sie stellte sich ans Fenster und sah gedankenverloren auf die Straßen Londons hinab. Es war gerade Rush-Hour, der Verkehr hatte sich zunehmend gestaut, und die Menschenmenge drängte sich wie ein Heer von Ameisen hektisch voran.
Die Büros der Führungskräfte in der Computer Electronics Company nahmen die gesamte obere Etage des sechsstöckigen Gebäudes ein. Michael hatte die meisten von ihnen unter sic h.
Er überwachte die Arbeitsabläufe der Produkte in den einzelnen Abteilungen, bis sie fertig zum Verkauf waren, und. gab sie dann an seine Verkaufsexperten weiter, um sich wieder wichtigeren Aufgaben widmen zu können. Michael war der Mann, der die besten Aufträge an Land zog und die Firma auf Erfolgskurs hielt. Er war das Herz und die Seele des Unternehmens. Ohne seine Antriebskraft würde es zusammenbrechen - so wie ich jetzt gleich, dachte Claudia.
Dabei hatte alles so harmlos angefangen. Sie war eine einfache Sekretärin gewesen, die als Springerin für das Team der Verkaufsabteilung immer dort zum Einsatz gekommen war, wo man gerade eine zusätzliche Kraft brauchte. Während der ersten sechs Monate in Michaels Firma hatte sie Michael nur ein einziges Mal von weitem gesehen. Er war gerade durch ihre Abteilung gegangen, was äußerst selten vorkam. An der Glastrennwand im Korridor war er stehengeblieben und hatte in den großen Raum geschaut, wo Frauen jeden Typs und Alters in zwei langen Reihen an Computern saßen. Da Claudia in diesem Augenblick zufällig in die Nähe der Trennwand gekommen war, stand sie Michael plötzlich gegenüber.
Sie sahen sich nur einen Moment in die Augen, doch diese Zeit genügte, und Claudia begriff, warum ihre Kolleginnen über ihren angeblich so faszinierenden Chef ständig redeten.
Sein schwarzes Haar, die schön geschwungenen dunklen Brauen und seine leuchtend blauen Augen raubten ihr den Atem. Wie angewurzelt blieb sie stehen, während Michael sie in seiner arroganten Art von Kopf bis Fuß musterte.
Damals war Claudia noch so jung gewesen, viel zu jung für einen Mann wie Michael, der vierzehn Jahre älter war als sie und ihr an Lebenserfahrung einiges voraus hatte. Es war einfach unvernünftig gewesen, sich überhaupt mit ihm einzulassen. Doch das sah sie erst jetzt ein, nachdem es zu spät war.
An jenem Tag war Michael es gewesen, der den Blickkontakt abgebrochen und Claudia spöttisch angelächelt hatte. Das tat er gern, um andere Leute zu verunsichern. Er war gegangen, und Claudia stand da mit hochrotem Kopf, von den Blicken ihrer neidischen Kolleginnen förmlich durchbohrt. Tagelang zog man sie noch wegen dieses Vorfalls auf.
Wochen vergingen, ohne dass Michael sich noch einmal in der Abteilung sehen ließ. Dann kam der Tag, an dem Michaels Sekretärin mit ihrem Mann nach Kanada auswanderte und Claudia ihren Job übernahm. Von da an wurde alles anders.
Damals war sie kaum zwanzig und noch sehr naiv gewesen, doch das hatte sich schnell geändert. Es war schon erstaunlich, was ein paar Monate unter Michaels Einfluss bewirkten.
Früher, wenn sie mit einem Mann einen schönen Abend verbracht hatte, hatte sie sich danach vor ihrer Wohnung höchstens mit einem Kuss auf die Wange von ihm verabschiedet. Aus diesem Mädchen war nun eine Frau geworden. Eine kühle, kultivierte Dame, die gelernt hatte, ihre Gefühle zu beherrschen, um dem Mann zu gefallen, den sie liebte.
Nachdem Claudia vier Wochen für Michael gearbeitet hatte, lud er sie zum erstenmal ein, mit ihm auszugehen. Wie es typisch war für einen Chef und seine Sekretärin, hatte er sie zunächst gebeten, etwas länger zu arbeiten, und ihr dann als Entschädigung ein Abendessen angeboten. Das zweite Mal hatte er keinen Vorwand mehr gebraucht.
Michael war sehr attraktiv und hatte einen unwiderstehlichen Charme, mit dem er es schaffte, Claudia im Handumdrehen den Kopf zu verdrehen. Er musste sich auch keine phantasievollen Worte ausdenken, um sie ins Bett zu bekommen. Eines Tages, während eines gemeinsamen Abendessens, sagte er ihr einfach, er wolle sie lieben, und wartete gelassen auf ihre Antwort.
Dieses erste Mal wies Claudia ihn ab. Doch Michael lachte daraufhin nur spöttisch, als ob er sich seiner Macht über sie nur allzu sicher wäre, Er hatte
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