Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)
Schultern gerade. »Das streite ich nicht ab. Aber er ist ja schließlich der Schuldige, oder sehe ich das falsch? Und wenn Sie mich fragen, ist Steph ohne den Bengel sowieso besser dran. Aber es wäre eh auf dasselbe hinausgelaufen. Hab ich recht?« Blake schwieg einen Augenblick, aber nicht lang genug, dass Leo hätte antworten können. »Ich hab ja schon ganz am Anfang gesagt: Wenn er auf nicht schuldig plädiert hätte, wäre es ein Scheinprozess geworden. Gefundenes Fressen für die Presse. Schuldig, nicht schuldig: Egal, wie man es dreht, die hätten ihn der Presse doch so oder so auf dem Silbertablett präsentiert.«
Der Missbrauch. Wenn sie vielleicht Beweise gefunden hätten, dass Daniel missbraucht worden war …
Aber selbst das hätte nicht ausgereicht, das wusste Leo. Nichts hätte ausgereicht, außer man hätte ihn für psychisch krank erklärt.
»Ich hatte recht«, sagte Blake. »Und mit meinem Weg blieb wenigstens Steph das Schlimmste erspart.« Er zog eine weitere Zigarette aus der Schachtel. »Ich meine, tut mir leid«, murmelte er. »Wegen den Briefen und allem. Vielleicht, keine Ahnung. Vielleicht hätte ich es auch irgendwie anders anstellen können.« Aber sehr überzeugt klang er nicht.
»Sie hätten doch einfach was sagen können. Wegen dem Prozess. Sie hätten darauf bestehen können …«
»Hab ich doch!« Blake blickte wütend auf das Feuerzeug, das nicht funktionierte. »Hab ich jedenfalls versucht – verdammte Scheiße hier.« Er schüttelte das Feuerzeug, woraufhin er ihm immerhin ein paar Funken entlocken konnte.
»Aber Daniel: Stephanie ist seine Mutter, und Sie sind sein Stiefvater. Sie hätten ihm doch einfach sagen können …«
Blake gab ein spöttisches Schnauben von sich. »Hab ich ja versucht. Aber Daniel lässt sich nichts sagen. Er und ich, wir sind uns nicht gerade grün, falls Sie das noch nicht gemerkt haben. Er hat was gegen mich, das ist das Problem. Kommt nicht damit klar, dass ich mit seiner Mummy schmuse.« Die Zigarette ließ sich einfach nicht anzünden. Blake zog sie aus dem Mund und schnippte sie mit einer Grimasse beiseite. »Und sie, sie lässt ihn machen, was er will. Wenn Sie mich fragen, ist das Teil des Problems: dass sie ihn verhätschelt, so als ob das die Sachen von früher wiedergutmachen würde. Und Danny, der hat gesagt, er mag Sie. Er vertraut Ihnen, meinte er. Dass er macht, was Sie sagen, und das war’s dann ja am Ende für ihn.«
Es war seine Schuld. Es war wieder einmal alles seine Schuld.
»Ich bin ja kein Fachmann«, sagte Blake, »aber irgendwas ist da doch nicht richtig. Der Junge ist zwölf. Der weiß noch nicht mal, wozu Rasierschaum da ist. Aber wenn man ihn vor Gericht stellt, ist er auf einmal ein Mann und verantwortlich. Das ist doch nicht richtig. Oder? Sie sind der Anwalt, Sie müssen mir das sagen. Stimmt’s?«
Leo konnte nur den Kopf schütteln. Als er einmal damit angefangen hatte, konnte er gar nicht mehr aufhören. »Ich glaube das nicht. Ich glaube Ihnen nicht. Sie haben die Briefe geschickt. Sie haben gesagt, Sie waren es.«
»Genau. Und ich hab gesagt, es tut mir leid. Ich wollte Sie bloß ein bisschen nervös machen. Einen Warnschuss abfeuern, mehr nicht.«
»Und die Haare von meiner Tochter? Ihr Blut? Was sollte das?«
»Was? Wovon reden Sie?«
»Ich verdiene keine Tochter. So haben Sie es doch ausgedrückt, oder? Erklären Sie mir das mit den Haaren, Blake. Und das Blut!« Leo stand jetzt und beugte sich über den Tisch zu Blake.
Blake versuchte, mit dem Stuhl ein Stück abzurücken, aber die hinteren Stuhlbeine blieben auf dem Boden hängen und der Stuhl kippte ein wenig. »He, beruhigen Sie sich. Ich habe ehrlich keine Ahnung, wovon Sie …«
Leo war jetzt auf der anderen Seite des Tisches. Er packte Blake am Kragen, und als der Stuhl unter ihm umkippte, hielt Leo sein ganzes Gewicht. »Der Brief! Der letzte Brief! Der war mit Ellies Blut geschrieben! Das ist analysiert worden! Und es wurde bestätigt! Was für eine Erklärung wollen Sie mir denn dafür auftischen?«
Blake stotterte. Er schüttelte den Kopf. »Ehrlich, Leo! Ich habe keinen blassen …«
»Wenn Sie einen geschrieben haben, dann haben Sie sie alle geschrieben! Und Sie hätten diesen einen nicht schreiben können, ohne dass … ohne dass …«
Leos Blick wurde starr. Er sah die Briefe in ihren Umschlägen in seiner Nachttischschublade. Er sah seine zusammengerollten Socken und das Bündel Zwanziger für den Notfall. Er sah Ellies
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