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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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meinen Teil fühle mich missverstanden.«
    Leo ahmte Dales Grinsen nach. Na also. Genau wie Leo vermutet hatte.
    Dale drehte sich um und wollte gerade noch einmal den Knopf drücken, da kam der Aufzug. Es machte »Pling«, die Holzverkleidung knarrte leise, und Leo, nach drinnen gewandt, wurde von seinem lächelnden Spiegelbild begrüßt. Er trat ihm entgegen, und die Aktentasche in seiner Hand wurde ein klein wenig leichter.

14
    D as Haus stand in Flammen. Genau so sah es aus in der mitternächtlichen Dunkelheit, die den Abend verschluckt hatte. Schlafzimmer, Küche, Diele, Arbeitszimmer: Sämtliche Fenster an der Vorderseite des Hauses waren hell erleuchtet. Es schien, als wären alle Gardinen zurückgezogen und jede einzelne Glühbirne so ausgerichtet worden, dass sie gegen die Dunkelheit anleuchtete. Der Effekt war wirklich der von Feuer, so als würde Leo, sobald er die Haustür aufmachte, erblinden oder verbrennen. Dabei war Megan zu Hause. Die Frau, die von klein auf darauf getrimmt war, das Licht in der Küche auszumachen, wenn sie schnell nach oben zur Toilette ging. Hätte Leo beim Nachhausekommen Flammen an der Tudor-Stil-Fassade züngeln sehen, wäre er wohl kaum heftiger erschrocken.
    Er wartete nicht auf sein Wechselgeld, sondern sprang aus dem Taxi, rannte die Einfahrt hinauf und klingelte Sturm, während er nach seinem Schlüssel wühlte. Als er ihn dann ins Schlüsselloch steckte und umdrehte, gab die Tür trotzdem nicht nach. Die Sicherheitsriegel waren von innen verriegelt worden, oben und unten, wie es aussah. Er klingelte noch einmal und klopfte mit den Knöcheln der unversehrten Hand. »Meg?« Er horchte, klopfte noch einmal. »Meg, ich bin’s.«
    Schlurfen, Kratzen – das Geräusch zurückgeschobener Riegel. Die Tür öffnete sich, war aber noch immer mit der Kette verriegelt, dann wurde sie wieder geschlossen und die Kette gelöst. Schließlich zeigte sich Megan, die im grellen Licht blass und abgespannt aussah.
    »Leo. Wo warst du denn bloß?«
    »Was? Ich war doch …« Er hatte ihr erzählt, dass er nach London fahren wollte, ganz sicher. »Bei einer Besprechung«, sagte er. »Was ist hier los, Meg? Du siehst so … Wieso brennt überall Licht?« Er stellte diese Frage unbeabsichtigt in demselben Ton, in dem er Ellie auf einen laufenden Wasserhahn oder einen zu lauten Fernseher aufmerksam gemacht hätte.
    »Komm rein«, sagte Megan. Sie spähte noch einmal hinaus und blieb so lange wachsam, bis die Tür abgeschlossen, die Riegel wieder vorgeschoben und die Kette eingeklinkt war.
    Im Flur schnupperte Leo. »Wie riecht es denn hier?« Er sah seine Frau an. »Hast du etwa geraucht?« Wieder dieser Ton. Meine Güte, Leo.
    »Mir geht es gut, mein lieber Mann. Vielen Dank, dass du fragst.« Megan kehrte ihm den Rücken und ging in die Küche. Leo folgte ihr, blieb jedoch in der Tür stehen. Megan stellte sich hinter die Arbeitsplatte. Darauf stand ein Weinglas, halb voll, und eine Flasche Rotwein, halb leer. Neben der Flasche stand eine Untertasse mit dem angekohlten Filter einer einzelnen Zigarette, und daneben lag ein Zippo, von dem Leo gar nicht mehr wusste, dass sie es noch besaßen. Seit mehr als einem Jahrzehnt – seit Megans Dreißigstem – hatten weder sie noch er eine Zigarette geraucht. Das hatte Leo zumindest geglaubt.
    »Megan? Was ist los?«
    Zu Leos Überraschung antwortete seine Frau mit einem Lachen. Sie schüttelte den Kopf, griff nach dem Weinglas und nahm einen Schluck, wobei sie ein klein wenig verschüttete. Mit dem Daumengelenk wischte sie sich die Mundwinkel ab.
    »Wo ist Ellie?«, fragte Leo und sah sich um. »Oben?« Er trat einen Schritt in die Küche hinein. »Megan? Würdest du mir bitte einfach sagen …«
    »Ellie ist bei Sophie. Ich habe dort angerufen. Sie wollte natürlich nicht mit mir sprechen. Sie ist immer noch böse, weil ich sie gegen ihren Willen in die Schule geschickt habe.«
    »Du hast sie gegen ihren Willen in die Schule geschickt?« Was auch immer Leo fragte, es klang wie ein Vorwurf.
    »Was hätte ich denn sonst tun sollen? Du hast gesagt, du sprichst mit ihr, Leo. Heute noch, hast du gesagt. Das war vor zwei Tagen. Gestern hast du noch einmal dasselbe gesagt, und dann bist du heute Morgen vor der Dämmerung aufgebrochen, und sie hat die ganzen Tage trübsinnig in ihrem Zimmer gesessen! Ich wollte bloß … Ich dachte, es wäre vielleicht besser für sie, wenn …«
    »Meg. Beruhige dich. Es ist doch alles in Ordnung. Sie war in der

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