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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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folgte ihr zurück in die Küche.
    »Was denn dann, Meg? Er hat dich also angeschaut. ›Angegrinst‹, hast du gesagt. Soll das heißen, er …«
    Beobachten.
    Leo blieb abrupt auf der Türschwelle stehen.
    Ich beobachte dich. Man wird dich nach deinen Lügen beurteilen.
    Leo spürte, wie sich ihm die Kehle zuschnürte. Ellie. Er dachte wieder an Ellie. »Warte mal, Megan. Ellie. Bist du dir ganz sicher, dass sie bei Sophie ist? Du hast gesagt, du hättest nicht mit ihr gesprochen. Woher weißt du dann, dass sie auch wirklich da war?«
    Megans Hand lag auf der Zigarettenschachtel. »Was soll denn das jetzt?«
    »Wenn du nicht mit Ellie gesprochen hast, woher weißt du dann …«
    »Ich hatte Sophies Mutter am Apparat. Die wird mich ja nicht anlügen, Leo.«
    »Ich fahre los und hole sie ab.« Leo klopfte seine Taschen nach dem Autoschlüssel ab. »Ja?« Andererseits: Megan, der Mann am Fenster. Ellie abzuholen würde bedeuten, Megan allein zu lassen.
    »Sie bringen sie nach Hause, Leo. Sophies Vater fährt sie nachher zu uns. Wehe, du lässt mich hier ganz allein.«
    »Nein. Nein«, sagte Leo noch einmal. »Natürlich nicht.«
    »Leo?« Megan musterte ihn. »Was ist los? Warum bist du denn auf einmal so komisch?«
    »Bin ich doch gar nicht.« Aber die Briefe. Er müsste ihr davon erzählen. Oder etwa nicht? Ein Mann an ihrem Wohnzimmerfenster, die Glassplitter im letzten Brief. Leo sah auf seinen verbundenen Finger. Wenn er ihn zu krümmen versuchte, tat er immer noch weh, aber davon abgesehen ließ der Schmerz allmählich nach.
    Er bedeckte die Verletzung mit der anderen Hand. Säckeweise. So hatte Dale es doch gesagt, oder? Und wenn er Meg in diesem Zustand davon erzählte – wenn er ihr überhaupt davon erzählte, ganz egal wann –, würde sie mit Sicherheit darauf bestehen, dass er den Fall abgab. Und das konnte er nicht. Das ging einfach nicht.
    Außerdem. Ein Mann am Fenster. Das konnte schließlich jeder gewesen sein, jeder und niemand.
    »Jetzt sag noch mal«, sagte er zu Megan. »Der Mann. Am Fenster. Hast du sein Gesicht gesehen? Wie sah er denn aus?«
    »Er hatte einen Bart. Er kam mir ziemlich groß vor, aber vielleicht auch nur, weil er so dicht an der Scheibe stand.« Ein Schauder durchfuhr sie, und sie schüttelte ihn ab. »Und seine Augen waren irgendwie …« Sie kniff ihre zusammen. »Strahlend. Ziemlich hell, glaube ich.« Sie machte eine Geste: Das ist alles. Oder eher: Das genügt.
    »Aber du hast doch gesagt, es sei dunkel gewesen. Wie hast du ihn denn gesehen, wenn …«
    »Glaubst du etwa, ich lüge, Leo? Glaubst du, ich hab mir das ausgedacht?«
    Leo hob die Hände. »Das habe ich nicht gesagt. Ich versuche nur, die Sache zu verstehen.«
    »Er hat gegrinst, Leo. So richtig hämisch. So als ginge es genau darum, dass ich ihn sehe und Angst vor ihm bekomme.«
    In Leos Brust setzte ein Hämmern ein, und er versuchte, es durch gleichmäßiges Atmen niederzukämpfen. »Und dann? Was ist dann passiert?«
    »Dann? Dann ist er gegangen«, sagte Megan und sah ihn grimmig an. »Die Einfahrt runter, nehme ich an.« Sie sah auf ihr Weinglas auf der Arbeitsplatte. »Ich bin überall herumgerannt und hab geguckt, ob alle Fenster und Türen geschlossen sind, aber es war alles zu. Dann habe ich die Vorhänge zugezogen. Aber das war irgendwie noch schlimmer, deshalb habe ich sie wieder aufgemacht.«
    »Und überall Licht eingeschaltet.«
    Megan gab keine Antwort.
    »Und danach? Hast du ihn danach noch mal gesehen?«
    »Nein. Aber das eine Mal hat gereicht, das kann ich dir sagen.«
    »Aber warum hast du denn nicht die Polizei gerufen? Du hättest die Polizei rufen müssen.«
    »Daran habe ich auch gedacht. Aber dann hab ich bei dir im Büro angerufen, und da wusste keiner so recht, wo du steckst.« Sie neigte den Kopf. »Wo warst du, Leo? Etwa bei ihm? «
    »Ich … ich sollte mir vielleicht ein Handy zulegen«, antwortete Leo, um sie abzulenken. »Das ist zwar nicht billig, aber dann bist du beruhigter. Dann kannst du mich anrufen, wenn irgendwas … Also im …« Er wollte das Wort nicht aussprechen.
    Megan seufzte, halb spöttisch und halb erschöpft. »Es war ja im Prinzip kein Notfall, Leo.«
    Erstaunt sah Leo seine Frau an.
    »Ich hatte Angst. Vielleicht war er ja bloß irgendein …« Sie schüttelte den Kopf. »Ich war ziemlich fertig mit den Nerven nach dem Streit mit Ellie. Und dann wusste ich nicht, wo du steckst. Außerdem gibt es eine wesentlich billigere Lösung. Ich meine, wenn du

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