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Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)

Titel: Das Kind, das tötet: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Lelic
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Schule, und jetzt ist sie bei einer Freundin. Alles ist in Ordnung.«
    »Überhaupt nichts ist in Ordnung, Leo! Ein Scheißdreck ist in Ordnung!«
    Megan drehte sich um. Ungeschickt stellte sie ihr Weinglas ab und reckte sich nach dem Schrank über dem Herd – dem Schrank, den niemand in der Familie benutzte. Leo sah ihr zu und fragte sich, was in aller Welt sie wohl dort herausholen würde, das irgendetwas erklären könnte, aber was dann zum Vorschein kam, löste ein anderes Rätsel. Es war eine Dose, gerade groß genug für eine Schachtel Zigaretten. Megan zog eine aus der Schachtel. Mit zitternden Fingern zündete sie sie an, und als sie daran zog, kräuselte sich ihre Stirn.
    »Du rauchst ja. Ich meine, warum, Meg?«
    Megan blies den Rauch aus. Sie funkelte ihn an: Wehe, du sagst noch ein einziges Wort. Als er schwieg, stützte sie den Ellbogen auf das Handgelenk und ließ die Zigarette auf Kinnhöhe herabhängen. Dann ging sie los, hinter sich eine Rauchwolke. »Komm.«
    Leo sah ihr nach. Er blickte auf die Dose und die Zigarettenschachtel – dann folgte er ihr. Wieder im Flur, fiel ihm vor der Wohnzimmertür ein Stuhl auf. Er stand nicht einfach nur davor: Die Lehne war unter den Türgriff geklemmt.
    »Was ist das? Was ist da drin?«
    »Nichts.« Megan zog den Stuhl unter dem Türgriff hervor, öffnete die Tür aber nicht. Stattdessen trat sie einen Schritt beiseite, so als wartete sie darauf, dass Leo zuerst hineinging.
    »Meg?« Er sah sie an, aber sie antwortete nicht. Er sah zur Tür, legte die Hand auf den Griff, ließ den Arm jedoch ausgestreckt. Er öffnete die Tür einen Spalt weit, hielt kurz inne und öffnete sie langsam noch etwas weiter. Der Raum dahinter war schwarz. Es war mit Sicherheit das einzige Zimmer im ganzen Haus, in dem Meg das Licht nicht eingeschaltet hatte. Leo tauchte die Hand in die Dunkelheit und tastete nach dem Lichtschalter. Da. Leo drückte darauf und machte sich auf einen schlimmen Anblick gefasst.
    Er wandte sich zu Megan, die ihm über die Schulter sah. »Meg?« Er trat in den Raum. »Hier ist nichts.«
    Megan sah weiter in den Raum. »Hab ich doch gesagt.« Sie klang alles andere als überzeugt.
    Leo breitete die Arme aus und sah sich vorsichtig um. Da waren das Sofa, der Fernseher und die üblichen Ansammlungen von Krimskrams hier und da. Nur mit den Vorhängen stimmte etwas nicht; wie alle anderen im Haus wären sie um diese Zeit normalerweise längst zugezogen. Das Fenster war bei dem eingeschalteten Licht ein Rechteck aus undurchdringlichem Schwarz. Leo wollte die Vorhänge zuziehen.
    »Leo!«
    Schon halb am Fenster, blieb er stehen. »Was ist? Ich wollte doch nur …«
    »Nein. Lass es so. Können wir … Komm, wir gehen wieder in die Küche.« Megan wartete, ob Leo ihr folgte.
    »Mal ganz im Ernst, Megan. Wovor hast du denn solche Angst?« Jetzt klang Leo unsicher. Er sah noch einmal zum Fenster.
    Megan hob ihre Zigarette zum Mund, aber sie war bereits bis auf den Filter heruntergebrannt. Sie sah sich um, suchte eine Stelle, um sie abzulegen, und entschied sich für die Erde des Gummibaums neben der Tür. Sie bückte sich, und als sie wieder hochkam, verschränkte sie die Arme.
    »Da war ein Mann«, sagte sie über Leos Schulter hinweg. »Da. Am Fenster. Schaudernd zog sie die Arme fester um ihren Körper.«
    »Ein Mann?« Leo folgte dem Blick seiner Frau. »Verstehe ich nicht. Was denn für ein Mann?«
    »Was weiß denn ich? Ein Mann eben! Und er hat mich angestarrt. Das Gesicht gegen die Scheibe gedrückt und mich angegrinst!«
    »Dich angegrinst?«
    »Bitte nicht, Leo!«
    Er war wieder auf das Fenster zugegangen; diesmal stand er bereits kurz davor. Er drückte das Gesicht gegen die Scheibe. »Draußen ist niemand, Meg. Da ist keiner.«
    »Natürlich nicht! Er wird kaum da sitzen und warten, bis du nach Hause kommst!« Sie schniefte. »Da müsste er ja die ganze Nacht warten.«
    »Was hat er gemacht? Was wollte er denn?«
    »Zu dumm, jetzt habe ich ganz vergessen, ihn zu fragen«, erwiderte Megan und klang jetzt gefährlich gefasst. »Vielleicht wollte er bloß nach dem Weg fragen. Oder es war ein Pizzabote, der sich verfahren hat.«
    »Was? Glaubst du wirklich, er wollte nur …«
    »Nein!«
    Das Wort hallte nach, eine halbe Ewigkeit, wie es schien.
    »Er kam aus den Büschen, Leo. Er hat hinter dem Haus im Dunkeln gehockt.«
    Leo rang nach Worten, aber bevor er sich für eine Erwiderung entscheiden konnte, ging seine Frau ohne Vorwarnung aus dem Zimmer. Er

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