Das Kind, das tötet: Roman (German Edition)
wirkte skeptisch.
»Du wolltest mir doch von Sophie erzählen«, sagte Leo.
Ellie senkte den Kopf. »Da gibt’s nichts zu erzählen. Sie hasst mich, genau wie alle anderen.«
»Ellie. Wirklich. Warum sollte sie dich denn hassen? Ihr seid doch beste Freundinnen, oder nicht? Ich dachte, ihr zwei wärt unzertrennlich.«
»Nicht mehr. Seit dieser Woche, da … Irgendwas ist anders. Irgendwie kommt es mir vor, als wollte sie nicht mehr mit mir sprechen, jedenfalls nicht, wenn jemand dabei ist.«
»Vielleicht ist sie ja … ich weiß nicht. Vielleicht gibt es irgendeinen ganz banalen Grund …«
»Nicht nur sie, Dad. Alle. Sogar die Lehrer behandeln mich wie eine Aussätzige.«
»Die Lehrer? Ach komm, Ellie, jetzt sei nicht albern.«
»Ich bin nicht albern!«
»Nein. Tut mir leid. Ich wollte damit nicht sagen …«
»Du hast keine Ahnung! Woher willst du das denn wissen? Du bist ja nicht dabei! Du bist ja andauernd bei der Arbeit. Bei ihm. «
Leo spürte, wie sich sein Kiefer anspannte. »Du hast mit deiner Mutter geredet. Wenn du Fragen zu meiner Arbeit hast, komm doch damit bitte zu mir, Ellie.«
»Wozu?«, fragte sie. »Was würdest du denn schon dazu sagen? Und egal, was ich sage, es würde doch eh nichts ändern. Seit Grandpa gestorben ist, kriegst du ja überhaupt nicht mehr mit, wie es irgendjemandem von uns geht. Es scheint dich gar nicht zu interessieren!«
Also doch. Sie hatte mit Megan gesprochen. Es war die einzige Erklärung, warum sie ihm haargenau dieselben Dinge vorwarf.
»Ich geh noch mal in deine Schule. Ich rede mit der Direktorin. Wenn du das Gefühl hast, du wirst ausgegrenzt, ist es wichtig, dass jemand …«
»Nein, Dad! Bitte nicht!«
Leo merkte, dass er seine Gereiztheit nicht mehr verbergen konnte. »Sieh mal, Ellie. Wenn du den Eindruck hast, die Lehrer sind irgendwie ungerecht, dann sehe ich eigentlich keine andere Möglichkeit als …«
»Dad! Bitte! Geh nicht zur Direktorin!«
»Aber was dann?« Leo hob hilflos die Arme. »Was soll ich denn tun? Ich kann nicht einfach … Es ist ja nicht so, als hätte ich nichts anderes zu …« Er schüttelte den Kopf und fasste sich an die Stirn.
»Ich will, dass es vorbei ist.«
Leo sah hoch. Seine Tochter hatte jetzt zwar keine Tränen mehr in den Augen, aber ihre Wangen glühten immer noch.
»Dieser Fall. Du und Mum. Sophie tut so, als ob sie mich nicht kennt, und alle hassen mich. Dieser Mann da am Strand, der mich fotografiert hat. Ich will bloß, dass das alles vorbei ist.«
»So einfach ist das nicht, Ellie.«
»Du hast mich gefragt. Was soll ich denn tun?, hast du gefragt. Und ich sage es dir.«
»Ja, ich weiß. Aber …«
Das Plädoyer. Der Prozess. Leo hatte sich bisher davor gedrückt, seiner Familie von Daniels Entscheidung zu erzählen, aber allmählich ließ es sich nicht mehr länger aufschieben.
»Also? Wann ist es endlich vorbei?«
»Kommt darauf an.«
»Ob es eine Gerichtsverhandlung gibt.«
»Genau. Ob es zum Prozess kommt.«
»Und, meinst du, es gibt einen?«
»Das liegt nicht in meiner Hand. Das muss Dan…« Irgendetwas hielt Leo davon ab, Daniels Namen auszusprechen. »Das muss mein Mandant entscheiden. Als Pflichtverteidiger kann ich nur ausführen, was mein Mandant mir aufträgt. Es wäre unprofessionell, wenn ich seine Entscheidung in irgendeiner Weise beeinflussen würde.« Es kam ihm komisch vor, das zu sagen – jetzt, hier, unter diesen Umständen. Aber wenigstens war es jetzt raus. Er würde es nicht noch einmal sagen müssen, hoffte er.
»Aber du musst es doch wissen. Du musst das doch einschätzen können.«
»Wirklich, Ellie. Das ist nicht meine …«
Mit einem Blick brachte sie ihn zum Schweigen.
»Wahrscheinlich«, sagte er schließlich seufzend, »so wie es im Moment aussieht, wird es wohl zu einem Prozess kommen.« Ellies sichtliche Verzweiflung ließ ihn zusammenzucken.
»Aber bevor wir nicht auf schuldig oder nicht schuldig plädieren … Ich meine, eigentlich kann man zu diesem Zeitpunkt, jedenfalls bis zur Anklageverlesung …«
»Aber … Wie lange? Wie lange dauert denn so ein Prozess?«
»Das ist schwer zu sagen.«
»Was heißt das? Tage? Vielleicht sogar Wochen?«
Leo zögerte. Wochen, so viel stand fest. Monate – Jahre womöglich, je nachdem, wie viele Revisionen es gab. »Ja, es könnte eine Weile dauern. Aber du brauchst dir keine Sorgen zu machen, Ellie.«
»Das hast du schon mal gesagt. Ganz am Anfang. Genau das hast du zu mir gesagt!«
Das war
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