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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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„Keine Maschinen.“ Ich machte die üblichen Entschuldigungen auf Englisch, und Faoud übersetzte sie für ihn. Wenigstens glaubte er nicht an Wunderheilung; ich sah, wie er wieder nickte, und dann sprachen sie über Geld … Geld?
    „Er sagt, daß der Weg zum Kloster hinunter zwei Seeyas kostet, Hadschi.“
    „Zwei Seeyas? Hier? Das ist ja reichlich weltlich, oder?“ Kein Wunder, daß sie ihn Bruder Wohlstand nennen. Ich sah Faoud wieder an.
    Faoud zuckte mit den Schultern. „Das ist Schwerarbeit für ihn. Außerdem ist es Tradition; auf der Erde haben sie jahrhundertelang Geld kassiert. Sie können ihn ja herunterhandeln, wenn Sie wollen; schlagen Sie einen besseren Preis heraus …“
    Ich wühlte schlechtgelaunt in der Seitentasche meines Rucksacks herum und zog ein paar Schuldscheine heraus. „Hier, nimm das und bezahle ihn.“ Die trockene Kälte ließ allmählich meine Kontaktlinsen beschlagen; ich konnte nur noch mit großer Mühe gucken.
    Sie nickten mir beide zu, was, wie ich hoffte, Einverständnis bedeutete. „Gut, Anfang der Woche bin ich wieder hier, Hadschi“, sagte Faoud fröhlich und war schon unterwegs zu seinem Fahrzeug. „Ich hoffe, Sie erholen sich gut“, als sähe er mein Herkommen bereits als Beweis dafür an, daß ich es nötig hatte. „Wenn nicht, dann …“ – er zuckte mit den Schultern und zog die Tür auf – „… hängen Sie hier eben fest.“ Die Tür schlug hinter ihm zu, und er ließ den Motor an. Der Geländewagen setzte zurück, wendete und holperte davon, als könnte er es gar nicht erwarten, wieder in die Zivilisation zurückzukommen. Auf einmal wußte ich, wie er empfand.
    Sie hätten das hier Heiliges Loch nennen sollen … Ich drehte mich zu dem glühenden Canyon um, und Bruder Wohlstand reichte mir ein Ledergeschirr. Ich sah erst ihn und dann das Geschirr an, und plötzlich verließ mich der Mut. Am Rand der Felsspalte lag eine Reihe gewaltiger, rachitisch aussehender Reifen und Flaschenzüge – Was mache ich hier eigentlich? „Faoud!“ rief ich laut, drehte mich um und winkte mit der Leine. Aber bis auf eine sich windende, kleiner werdende Staubwolke war von ihm nichts mehr zu sehen, und mein Ruf starb in der dünnen Luft einen Tod schrecklicher Vergeblichkeit. Mein Arm sank herab, weil er auf einmal aus Blei war, und ich keuchte wie ein Asthmatiker.
    Resigniert trottete ich hinter dem Mönch her an den Rand des Abgrunds, um mir anzusehen, auf was ich mich eingelassen hatte. „Großer Gott.“ Mit geschlossenen Augen machte ich ein paar Schritte rückwärts. „Allahu akbar!“ Es ist schlimm genug, daß ich überhaupt nicht an den großartigen Rahmen gewöhnt bin, in dem Mutter Natur den Mars ausgestattet hat – diese Felsspalte war ja vergleichsweise winzig, aber immerhin vier Kilometer breit und gut einen oder zwei tief. Und die Seitenwände waren poliert. Das, da war ich sicher, hatte mit der Natur nichts zu tun. Hier hatte die Menschheit sich eingemischt, und die Tatsache, daß nur der obere Teil der Steilwand auf dieser Seite und der untere Teil der gegenüberliegenden Wand glatt wie Glas gescheuert waren, ließ mich den Grund erkennen: Sonnenwärme sollte konzentriert werden. Die Steilwände hatten die Funktion von Spiegeln, die dazu dienten, an den Sommertagen Wärme auf den Grund der Felsspalte zu lenken. Und die fünfhundert Meter polierter Steilwand sollte man damit überwinden? Ich sah mir noch einmal das Geschirr an. Entweder das, oder hier oben auf der eisigen Ebene sitzenbleiben und sich in einen menschlichen Eiswürfel verwandeln.
    Der Mönch beobachtete mich geduldig, wie wenn er an diese Art von Unschlüssigkeit gewöhnt war.
    Ich machte mich daran, mir das Geschirr anzulegen.
    Als ich an der heißen, die Augen blendenden Steilwand hinabgelassen wurde, hatte ich nur einen klaren Gedanken: Ich war heilfroh, daß ich ihm die vollen zwei Seeyas gezahlt hatte.
    Nachdem die Spiegelwand erst einmal überwunden war, senkte sich die unbearbeitete Klippe nicht mehr ganz so steil und wegen der zahlreichen Klüfte und Grate auch annehmbarer in die Tiefe. Und als ich mich dann auch noch von Yarrows kurzem Anfall von Hysterie erholt hatte, fanden meine zitternden Beine sogar einen Zickzackpfad, über den ich auf den Grund der Felsspalte gelangte. Der Abstieg dauerte fast den ganzen Nachmittag; als ich unten ankam, keuchend und schwitzend und insgesamt demoralisiert, hatten kastanienbraune Herbstschatten den ganzen Canyonboden schon verschluckt. Und

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