Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
hohe Mauern und ein Netzwerk von klaustrophobischen Gängen voneinander getrennt hatte. Was ich dem Geruch nach letzte Nacht für einen Hühnerhof gehalten hatte, stellte sich als der Hauptplatz heraus, der jedoch von nicht stubenreinen Hühnern reichlich bevölkert war. An seinem einen Ende befand sich die Kirche, ein ins Auge fallendes, dreistöckiges Rechteck, das das Meer von runden Steinhütten beherrschte. Ihre Mauern waren gleichfalls aus Stein, und vorstehende Stahlträger trugen die oberen Stockwerke, in ihrem Glanz genauso fehl am Platz wie ein Hubschrauber zwischen Flugsauriern. Ich stolperte über ein Huhn und mußte an Hanas Gackern denken. Nun, Gott allein wußte, wo sie auf dem Mars Holzpfosten aufgetrieben hatten. Diese Sekte mußte ein fortschrittlicher Ableger sein, sonst hätte sie die Erde wohl gar nicht erst verlassen. Vor dreizehn Jahren … Und jemand mußte die Reise bezahlt haben. Ich hätte gern gewußt, welche Wahl ihr letzten Endes geblieben war …
    Aber nirgendwo sah ich etwas, das einigermaßen anachronistisch genug wirkte, um das geheime Hauptquartier eines internationalen Ein-Mann-Imperiums zu sein. Unter den Töpfen mit Gemüsesuppe befand sich kein verräterisches Haute-cuisine-Gericht, unter den Wandgemälden von kleinen Beinen mit Flügeln kein Sehschirm, nirgendwo Installationen … unglücklicherweise. Wenn Khorram Kabir hier tatsächlich ständig residierte, dann mußte er wirklich das Leben eines asketischen Einsiedlers führen – und jede dieser kuttentragenden, sanften Gestalten, die rings um mich her schlichten Tätigkeiten nachgingen, könnte der reichste Mann des Sonnensystems sein. Ich sah sie mir verstohlen an, doch ich wollte verdammt sein, wenn ich unter den weißen Wollkutten und ernsten Gesichtern irgendwo Kabir ausmachen konnte. Sie hatten die Angewohnheit, mich zu segnen.
    Ich nahm am Abendgebet in der Kirche teil und ging in dem flackernden Licht jedes einzelne Gesicht durch. Ich ließ ETHANAC auf Autopilot singen und eine unabhängige Analyse meines Lageplanes aufstellen, um herauszufinden, ob mir etwas entgangen war. Ein Geheimzimmer? … Nichts. Lediglich die inneren Räumlichkeiten der Kirche selbst, die, wie man mir gesagt hatte, Außenseitern nicht zugänglich waren. Ich gab auf und versuchte es mit Beten.
    Und auf dem Rückweg zu meiner Hütte hörte ich drei Mönche über die erwartete Ankunft eines anderen Gastes reden, von dem ich annahm, daß er regelmäßig herkam. Und ich schwöre, daß einer das Wort „Hubschrauber“ benutzte.
    Aber das war alles, was ich von der Unterhaltung verstehen konnte, und ich war nicht sicher, ob es überhaupt etwas bedeutete. Wenn nicht, dann wußte ich wirklich nicht mehr, womit ich es morgen versuchen sollte. Kabir mußte hier sein, ich wußte, daß der Computer des Xanadu nicht log. Doch, verdammt noch mal, dann mußte er unsichtbar sein! Ich dachte an Hana und die anderen und wie es aussähe, wenn ich sie schließlich doch noch im Stich ließe … Und dann dachte ich noch weiter über Hana nach und lag bis weit in die Nacht wach auf meinem Feldbett, umgetrieben von einigen sehr unreinen Gedanken.
    Was beweist, daß selbst das Laster noch seine Tugenden hat. Denn wenn ich nicht wach gelegen hätte, hätte ich niemals die kaum spürbaren Vibrationen einer … Hubschrauberlandung? … wahrgenommen. Die Art der Vibrationen und mein angestrengtes Horchen ergaben in meinem Kopf schlagartig einen Sinn. Ich stand auf und sah aus der Tür meiner Hütte. Sie stand nahe der Wand des Kuppelbaus, und dahinter sah ich – Lichter, Landescheinwerfer, die von der Steilwand widerstrahlten und den Umriß der leicht obszönen Form eines auf dem Mars üblichen Hubschraubers mit Doppelrotoren zeigten. Ein Hubschrauber ist auch jetzt noch kein vertrauter Anblick auf dem Mars, da der Luftdruck nun mal nicht das ist, was er sein sollte; und einen in einen Canon hinein- und wieder hinauszusteuern ist kein Spaß. Darüber hinaus kam noch eine einzelne Gestalt in einem Druckanzug in meine Richtung gegangen … Ich entschied, daß es sich nicht um einen gewöhnlichen Besucher handelte.
    Ich warf mich in Windeseile in die Kleider und schlich durch die zu dieser Stunde noch verwirrenderen Gänge, denn die Mönche glaubten auch nicht an nächtliche Straßenbeleuchtung. Ich erreichte den Hauptplatz, ohne mir ein Bein gebrochen zu haben und noch rechtzeitig, um den Unbekannten bei Kerzenlicht, eskortiert von zwei Mönchen, den Platz überqueren zu

Weitere Kostenlose Bücher