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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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zertraten oder aßen mehr Beeren, als in unsere Körbe wanderten. An einem windstillen, feuchtheißen Tag im zweiten Sommer nach meiner Mannwerdung waren wir auf der Suche nach roten Klettenbeeren und heilkräftigem Muttermoos. Den ganzen Vormittag lang war Etaa seltsam zurückhaltend und ernst, so als ob sie auch schon vor mir ihr feierliches Gesicht ausprobierte. Ich versuchte, sie aus sich herauszulocken, doch gelang es mir nicht; ich fühlte Verzweiflung in mir aufsteigen bei dem Gedanken, daß ich sie, ohne es zu wollen, auf irgendeine Weise verletzt haben könnte – oder noch schlimmer, daß sie schließlich das Interesse an mir verloren hätte.
    Mutters Titten! Ich riß mich von den Dornen los, zugleich fluchend und herumfummelnd, und verlor noch eine Handvoll Beeren.
    Etaa blickte vom Flußufer her, wo sie Moos sammelte, sie spürte wie immer meinen scharfen Gefühlsausbruch. Ist alles in Ordnung, Hywel?
    Ich nickte, obwohl ich von meinem Standpunkt aus kaum ihre Zeichen unterscheiden konnte. Heb nur etwas von dem Moos für mich auf, ich werde hier zu Tode gestochen.
    Sie kletterte das Ufer hinauf. Dann laß mich pflücken, und du sammelst das Moos ein. Es wird deine Wunden lindern, während du arbeitest.
    Mir geht es gut. Ich fühlte meinen alten Trotz wieder in mir aufsteigen. Es macht mir nichts aus. Meine Kratzer sind schon besser … Sieh doch! Da fliegt ein Rubit. Das ist der Vogel der Mutter! Sie will, daß wir die Plätze tauschen.
    Woher willst du wissen, was das bedeutet? Noch bist du keine Priesterin. Ich schielte in die Richtung ihres ausgestreckten Fingers. Und das ist auch kein Rubit, sondern ein Folgevogel.
    Doch, es ist ein Rubit, ich fühle, daß …
    Ist es nicht. Ich verschränkte die Arme.
    Hywel … Sie starrte mich an. Was ist heute nur los mit dir?
    Was ist los mit dir? Den ganzen Tag lang tust du, als ob du mich kaum kennst! Ich wandte mich ab, um all das zu verbergen, was auf meinem Gesicht stand.
    Schließlich tippte sie mich an die Schulter. Ich drehte mich um und sah sie erröten, so rot wie die Klettenbeeren, die Hände zuckten vor ihrer Hüfte. Ich wollte nicht … ich konnte dir doch nicht sagen … ich dachte … Oh, Hywel, willst du am Sonnenwendabend mit mir auf die Felder gehen? Ihr Gesicht brannte noch heißer, und ihre Augen strahlten so hell wie die Sonne.
    Da brach ein Lachen aus mir heraus, voller Erleichterung und Freude. Ich umfing sie mit beiden Armen und schwang sie herum, mein Körper rief Ja und Ja und Ja, während sie an mir hing und ich sie über ihre eigene Erleichterung lachen fühlte. Ich ließ sie nieder und richtete die Glieder meines Gürtels, um meine Sprachlosigkeit zu verbergen. Dann betrachtete ich sie von oben bis unten, grinste und signalisierte, So, du Göre, bist du endlich erwachsen?
    Sie verzog entrüstet das Gesicht. Natürlich. Und nenn mich bitte nicht mehr, Gör’. Tatsächlich hat meine Mutter mir schon seit fast sechs Monaten die Haare nicht mehr geschnitten, und du hast es nicht einmal bemerkt!
    Ich berührte die dunklen Locken, die jetzt beinahe bis zu ihren Schultern reichten. Hab’ ich wohl nicht! Ich werde dir ein Stirnband machen müssen, das zu deiner Halskette paßt.
    Ihre Hand faßte nach der Schnur aus Jett und Silberperlen, die ich für sie angefertigt hatte. Meine Kette hängt auch nicht mehr gerade runter.
    Das habe ich bemerkt. Ich grinste wieder und rückte näher. Sie packte meinen Kopf und zog ihn herab, um mich zu küssen, wie sie es immer getan hatte, diesmal aber machte sie sich nicht los, und ihr Kuß war mehr wie Feuer als ein Flügel der Libelle.
    Jetzt riß ich mich los. He, so was habe ich dir nie beigebracht! Mit wem warst du zusammen?
    Mit keinem. Hegga hat mir gesagt, dir würde es gefallen! Sie tanzte davon, wild die Arme schwenkend, rutschte aus und fiel das Ufer hinunter auf ein Bett von Moos.
    Ich sprang die Böschung hinab hinter ihr her und landete neben ihr im weichen, grüngrauen Moos. Ihr klatscht also über mich, wie? signalisierte ich, und dann zeigte ich ihr ein paar Dinge, von denen Hegga ihr nichts erzählt hatte.
    Es kam mir vor, als ob der Abend der Sommersonnenwende nie kommen wollte, doch endlich war er da, und ich fand mich wieder, wie ich meinen Umhang zwischen Reihen von Weizen auf die milde Erde breitete und Etaa an meine Seite herabzog; das nasse Frauengewand haftete noch eng an ihrem Körper. Und dann schliefen wir zum ersten Mal zusammen und baten um Fruchtbarkeit für die Felder und

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