Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
Vom Netzwerk:
haben mit den Neaanern Handel getrieben, seit wir uns an ihrer Grenze angesiedelt haben, und das ist länger her, als irgend jemand sich erinnern kann. Sie sind ein fremdes, nach innen gekehrtes Volk, das jede Verständigung mit der Mutter verloren hat. Deswegen leben sie finster und freudlos, sie verfolgen sogar die eigenen Leute, die mit dem zweiten Blick gesegnet sind, und nennen sie Hexen. Sie glauben an Götter, die sie verlassen haben und im Himmel leben und die ihnen, wie sie behaupten, die Große Seuche geschickt haben.
    Was sie glauben, hat uns nie gefallen, wohl aber das, was sie besaßen: sanftfüßige Zelter, die Lasten tragen oder den Pflug ziehen konnten, neue Samenarten für unsere Felder – selbst einen Weg, um die Felder durch viele Jahre hindurch fruchtbar zu erhalten, was uns half, ein seßhafteres Leben zu führen. Von uns wollten sie dafür Schmuck und Metallarbeiten und die Felle wilder Tiere, denn noch lieber als wir zeigen sie ihren Reichtum, besonders diejenigen, die am meisten davon haben. Ein seßhaftes Bauerndasein hat ihnen viel Zeit gelassen, um seltsame Gebräuche zu entwickeln, zum Beispiel erhöhen sie einige Menschen über alle anderen, oft ohne jeden vernünftigen Grund, soweit wir es beurteilen konnten, ohne Weisheit, oder Mut oder gute Sehkraft.
    Dennoch waren unsere Handelsbeziehungen für jeden von uns gut, bis eines Tages die Götter der Neaaner zu ihnen zurückkehrten; jedenfalls glaubten sie das, und die Alten erinnern sich noch daran. Mit der Rückkehr der Götter wandten sich die Neaaner gegen uns – diese Rückkehr sei der Beweis dafür, daß ihr Glaube der einzig wahre sei und wir, die Kotaaner, für ihre Götter ein Gegenstand des Abscheus wären. In das Dorf waren häßliche Gerüchte über Vorfälle weiter südlich gedrungen, und selbst hier störte eine gewisse Verstimmung unseren Verkehr mit dem Herrn und seinem Volk in Barys-Stadt. Trotz allem bestand Etaa darauf mitzureiten, sie wollte etwas erleben. Sie war unwiderstehlich wie ein Sommertag und genauso schön, und so gab ich nach, weil ich alles mit ihr teilen wollte.
    Als wir Barys-Stadt erreichten, fanden wir es voll von Soldaten des Königs, dem mächtigsten Herrn des Landes. Er stattete seinen Grenzgebieten einen seltenen Besuch ab, wahrscheinlich um sich zu vergewissern, daß sie gegen uns gesichert waren. Ich sah den König selbst, keine dreißig Fuß entfernt, trotzdem war er nur ein verschwommener Fleck vor meinen Augen. Er saß auf einem Pferd und beobachtete mit seinen Edlen, wie wir unseren Tauschhandel begannen. Doch dann drängten sich seine Soldaten an uns heran, winkten und verspotteten Etaa, nannten sie ‚Hexe’ und ‚Hure’. Einer versuchte, sie von ihrem Zelter zu ziehen, doch sie schlug mit einem eisernen Topf nach ihm. Der König gab kein Zeichen, um allem ein Ende zu machen, und ärgerlich befahl ich, meine Waren einzusammeln, ohne mich darum zu kümmern, ob mein nervöses Pferd in der Menschenmenge jemanden verletzte. Ich hatte in der Vergangenheit schon zu viele Beleidigungen durch die Leute von Barys-Stadt einstecken müssen, und als sie sich mürrisch um uns sammelten, machte ich ihnen klar, daß die Kränkung meiner Frau die letzte gewesen war, daß sie von mir keine Metallarbeiten mehr bekommen würden. Wir wendeten und ritten davon, vorbei an dem fetten Ortspriester der Himmelsgötter, der ein juwelenbesetztes Gottessymbol abholen wollte, das er bei mir bestellt hatte. Als ich ihn sah, warf ich es auf einen Misthaufen. Ich verlor keinen Blick, um zu sehen, ob er hinrannte und es aufhob. Etaa war sehr bleich, als sie neben mir ritt; sie signalisierte, hinter uns sei ein böser Ort, und bat mich, mein Versprechen, nie wieder dort hinzugehen, zu halten, denn sie hatte in zu vielen Augen Haß gesehen.
    Da erstarrte ihr Gesicht vor Schreck, obwohl ich nichts sehen konnte; sie drehte sich im Sattel um und blickte wild nach der Stadt zurück. Hywel!
    Mein Pferd sprang zur Seite, als ein Pfeil in seiner Flanke steckenblieb. Ich riß seinen Kopf zurück und sah berittene Männer schnell hinter uns her kommen, deren Kettenpanzer in der Sonne Funken sprühten. Etaa zog mich am Arm, wir spornten unsere Pferde zum Galopp an und wurden bis auf die Haut durchnäßt, als wir durch den Fluß sprengten, der unseren Weg kreuzte.
    Wir ritten auf die Berge zu, die unser Dorf von den Neaanern trennten, und hofften, die Soldaten in dem rauhen Dickicht abzuschütteln, wo unsere Zelter sicherer auftreten

Weitere Kostenlose Bücher