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Das Kind der Priesterin

Das Kind der Priesterin

Titel: Das Kind der Priesterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D. Vinge
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verbrannt zu werden. Ich sah seinen zerschmetterten Körper in der Tiefe liegen und wandte mich schaudernd bei dem Gedanken ab, wie nahe ich daran gewesen war, das zu verlieren, was ich suchte – denn meine Männer berichteten, die Frau sei im letzten Augenblick vom Rande des Abgrunds zurückgeschreckt und sie hätten sie gerade noch zur rechten Zeit erreicht. Ein paar von ihnen hatten sie mit offenkundigen Absichten zu Boden geworfen, und ich züchtigte sie mit der flachen Seite meines Schwertes; ich war wütend und schämte mich zugleich. Dann hob ich sie selbst auf und trug sie in meinen Wagen. Ihr Gesicht war aschfahl.
    Als König war ich niemandem auf Schloß Barys eine Erklärung schuldig, obwohl eine Bewegung wissender Belustigung durch meine Edlen ging, als ich früh eine gute Nacht bot. Ich ging direkt in meine Gemächer, wo die kedonnysche Priesterin wartete, und befahl der Wache, mich nicht zu stören.
    Die Frau saß zusammengekauert am Fensterschlitz und starrte hinaus in das zähe Zwielicht. Als ich eintrat, schnellte sie herum und heftete ihre großen, brennenden Augen auf mich. Ich lächelte, weil es bewies, daß sie hören konnte, und weil ich erneut fand, daß sie eine Schönheit war. Als sie mich jedoch sah, preßte sie sich zurück in den kalten Steinschlitz, als ob sie sich hinauswerfen wollte.
    „Dein Liebster ist tot …“
    Sie zögerte, ihr Gesicht blieb leer, und ich erkannte, daß sie nicht von den Lippen ablesen konnte. Ich wiederholte mit den Händen. Dein Liebster ist tot. Du wolltest ihm folgen und hast versagt. Ich würde es nicht noch einmal versuchen.
    Immerhin verstand sie die übliche Zeichensprache, denn sie sank auf den Sitz zurück und barg ihr Gesicht in den Händen. Ich klatschte scharf, und sie blickte erschreckt wieder auf. Ich bemerkte auf meiner geschnitzten Truhe neben ihr eine unberührte Mahlzeit. Wirst du essen?
    Sie schüttelte den Kopf, ihr Gesicht war wie erstarrt. Steh auf.
    Sie erhob sich steif, mit den Händen ihr zerrissenes Gewand zusammenraffend. Ihre schlanken Arme waren bis auf einige Armreifen nackt und braungebrannt, wie die einer Bäuerin. Ihr ungebändigtes Haar, voller welker Blumen und kleiner Zweige, schimmerte schwarz im flackernden Schein des Feuers. Ihr Gesicht war vom Staub der Flucht verschmiert und zeigte Tränenspuren, doch ich war erleichtert, daß sie nicht die vor Schmutz starrende Barbarin war, die ich halbwegs erwartet hatte; sie sah sauberer aus als manches Mitglied meines eigenen Hofes. Ihr zerlumptes Kleid war grob gewoben und von dumpfen Farben, dennoch erinnerte es mich irgendwie an das Muster grüner Blätter und das gedämpfte Licht tiefer Wälder … Dies war meine üppige Priesterin, die fruchtbare Erde leibhaftig, die die königliche Linie stärken würde.
    Und sogar jetzt stieg mir ihre hexenhafte Schönheit wie Wein zu Kopf.
    Sie konnte mir dies wohl ansehen, denn wieder schreckte sie zurück. Ich zog belustigt meinen Mantel aus. Was, Priesterin, ist es so schwer, mich anzusehen? Es heißt, daß eine Priesterin bei jedem Mann liegt, der sie haben will. Ich berührte meine Krone. Nun, ich bin der König in diesem Land, das macht mich sicherlich so gut wie einen beliebigen kedonnyschen Shennhirten. Ich ergriff sie bei den Armen, doch plötzlich kam Leben in sie, und sie kämpfte mit einer Kraft, die mich in Erstaunen versetzte. Sie schlug nach meinem Gesicht und riß mir die Gläser herunter. Ich fühlte mehr als ich sah, wie sie auf dem Boden zerschellten. Wütend schleppte ich sie an mein Bett, warf sie nieder und riß die Fetzen ihres Kleides weg.
    Und dann zwang ich sie erbarmungslos, wie es mir angemessen schien für eine Hure der unzivilisierten Kedonnyer. Auf dem Bett wehrte sie sich nicht, sondern lag schlaff wie eine Leiche unter mir und biß sich auf die Lippen, während ihr neue Tränen der Demütigung das Gesicht her abliefen und die Satinkissen befleckten. Ihre Augen waren braun wie der Torf, und das einzige an ihr, das Leben zeigte, und sie rissen an mir voll Kummer und Empörung und Flehen. Doch ich sah weg, zu wütend und zu gierig, um mir einzugestehen, daß ich kein Recht dazu hatte, sie zu nehmen.
    Und was immer sonst auch noch geschehen mag, dies ist das eine, das ich mir nie vergeben werde. Denn in dieser Nacht benutzte ich keine heidnische Schlampe, ich vergewaltigte eine vornehme Frau an jenem Tag, da sie ihren Mann hatte sterben sehen. Denn später begann ich sie zu lieben, konnte aber mein Unrecht nie

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