Das Kind der Priesterin
wir zusammen über Dummheit und Furchtsamkeit triumphiert und den Anfang unserer heimlichen Einheit gefunden.
Wir verbrachten jetzt auch immer mehr Zeit in gemeinsamer Unterhaltung. Sie erzählte mir von ihrem Volk und ihrem Leben als Priesterin und von dem Mann, den sie liebte, der ihre andere Hälfte war und sie erst zu einem Ganzen machte. Und daß sie ihn verloren hatte … aber auch nicht mehr. Während sie sprach, hielt sie Alfilere fest in den Armen, das lebendige Symbol ihrer verlorenen Freude. Das rührte mich in einer Weise, die ich nicht erklären konnte und die für sie auch keinen Sinn ergeben hätte; und irgendwie begann ich, die wahre Natur der Heterosexualität zu verstehen und die Art von Liebe und Verlangen zu spüren, die sie ermöglichte – die Bande, die diese schreckliche Wunde der Dichotomie überwinden konnten.
Damals hätte ich ihr fast erzählt, daß ich ihren Mann gesehen hatte und wußte, er war noch am Leben. Sie hatte mich oft nach Neuigkeiten über den König und den Schmied gefragt, der ihr Volk gegen Tramaine führte. Wenn sie nach dem Schmied fragte, bebte sie vor Trauer und vor Sehnsucht nach der Vergangenheit. Doch ich glaubte, sie konnte nicht wissen, daß der Schmied und ihr Mann ein und dieselbe Person waren; daß die Liberalen ihn zerschmettert am Boden der Schlucht gefunden und sein Leben gerettet hatten und daß sie seine Liebe und Empörung benutzt hatten, um ihn zu ihrem Werkzeug des Umschwungs zu machen. Nun kämpfte er um sie wie ein Held der Legende der Kotaaner – und es war gut möglich, daß er am Ende doch noch für sie starb. Und daher erzählte ich ihr zwar, was ich über den Schmied und den König gehört hatte, verschwieg ihr aber, was ich sonst wußte, um ihr weitere Qualen zu ersparen.
Etaa zeigte ihrerseits Neugier über meine Natur, nachdem wir freier miteinander umgehen konnten. Wer war ich? Was war ich? Warum waren wir hier bei den Menschen? Meine Ausbildung verbot mir, darauf zu antworten, ich tat es aber trotzdem. Von allem abgeschnitten, in einer Gestalt, die selbst mir ungewohnt wurde, war diese abgetrennte Welt, die ich mit Etaa und ihrem Sohn teilte, unversehens wichtiger geworden als meine eigene – und gewissermaßen auch wirklicher. Wenn ich weniger impulsiv gewesen wäre oder mehr Erfahrung gehabt hätte, wäre ich sicher nicht in das alles verwickelt worden, doch dann wäre diese Galaxis heute ganz und gar anders.
Aber Etaa war zu mir offen gewesen, und so öffnete ich mich auch ihr. Ich erzählte ihr von meiner „Heimat“, weit weg zwischen den Sternen, weiter, als sie es sich je vorstellen konnte – so weit weg, daß ich selbst sie nie gesehen hatte; wie ich im All geboren und meinen Eltern in den Kolonialdienst gefolgt war. Ich versuchte, ihr die Vielzahl der Welten zu erklären und die unbegrenzte Verschiedenartigkeit der Formen, die man dort finden konnte, alles erleuchtet durch das einigende Feuer des Lebens. Wieviel sie von alldem glaubte, werde ich nie erfahren, aber ihre Augen glänzten im Lichte fremder Sonnen, und sie bestürmte mich weiterzuerzählen.
Ich hatte nie vor, ihr die volle Wahrheit über unsere Absichten auf ihrer Welt zu sagen, fand aber, daß sie ein Recht darauf hatte, etwas darüber zu erfahren, warum man sie ins Exil entführt hatte. Deswegen erzählte ich ihr, daß wir gekommen waren, um den Menschen auf der Erde das Dasein angenehm zu machen – damit sie keine Lust mehr dazu verspürten, sie je zu verlassen und in unsere Sternenwelt einzudringen. Wir hatten den Tramainern zu einem besseren Leben verholfen, und wenn uns die Kotaaner jemals „brauchen“ sollten, würden wir auch ihnen helfen. Ich erzählte ihr von der Partei des Sternvolkes, die bei ihren Leuten Aufruhr verbreiten wollte (und damit auch Fortschritt, aber das sagte ich nicht): wie sie die Kotaaner dazu angestachelt hatte, einen leidvollen, bösen Krieg zu führen, der von ihnen nur verloren werden konnte, und wie sie damit unendliches Unglück und Elend angerichtet hatte, während der Rest von uns nur Frieden auf ihre Erde bringen wollte. Jedoch hatte der König von Tramaine den Krieg dadurch begonnen, daß er sie raubte, und wir hatten sie vor ihm gerettet, um dabei zu helfen, die feindseligen Gefühle aufzuhalten (aber hauptsächlich, um den König davon abzubringen, einen Thronerben aufzuziehen, der uns feindlich gesinnt war – aber das sagte ich auch nicht). Wenn der zornige König die Schlacht mit den Kotaanern gewänne, aber den
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