Das Kind der Priesterin
Schock anschwoll. Ich schrie: „Hierher, verdammtes Biest!“ Ich hörte einen durchdringenden Zornesschrei, und über mir verdunkelte sich der Himmel, als der Gleiter abwich, um auf mich niederzustoßen. Warzige, gesprenkelte Haut rammte mich, und ich stolperte unter der Wucht der unförmigen Masse. Ich hörte noch meinen eigenen Aufschrei und das klagende Jammern des Gleiters, als ein zangenartiger Schnabel sich um meinen Arm schloß, sich eingrub und meinen Körper wie eine Peitsche in die Luft schnappte. Der Gleiter zitterte unter meinem Gewicht, und angsterfüllt sah ich mich schon zerschmettert am Boden liegen … doch dann war plötzlich mein Arm wieder frei, es wurde heller – und ich fiel auf die Erde herunter. Der Gleiter schwebte davon, immer noch jammernd.
Ich lag auf einem segensreichen Moosflecken, starrte in den Regen und hatte das Gefühl, als wäre ein Pfahl durch mich hindurchgetrieben worden, mich an den Boden heftend. Mein zerrissener Arm pochte mit jedem Herzschlag, ich nahm ihn, seltsam leicht, hoch, um festzustellen, daß das Ende weg war – durchgebissen. Irgendwie unbeteiligt sah ich mir den blutigen Stumpf an, wo meine Hand gewesen war, und ließ ihn dann wieder an die Seite zurückfallen.
Er fiel aber nicht, denn Etaa hatte ihn in ihren Händen aufgefangen, sie stöhnte vor Grauen, während Alfilere an mein Bein gelehnt furchtsam klagte.
„Alles in Ordnung, alles …“ sagte ich benommen und wunderte mich, warum sie mich nicht zu verstehen schien. Ich brachte es fertig, mich aufzusetzen, schüttelte sie ab und stand auf – um dann endlich festzustellen, daß ich nicht mehr wußte, was ich tat. Ich fiel wieder fluchend auf die Knie, verwünschte, klebrige Silikon-Dioxyd-Tränen weinend. Doch starke Arme zogen mich wieder empor, und mit Alfilere auf dem einen und mir an ihrem anderen Arm brachte Etaa ihre zwei weinenden Kinder aus dem Regen nach Hause.
Ich brach auf meinem Lager zusammen, ich wollte nur in Frieden liegen bleiben und schlafen, Etaa aber plagte mich mit ihrer aufgeregten Sorge. Ich bin heilkundig, laß mich dir helfen, oder du wirst sterben! Das Blut …
Und ich entdeckte, daß es mit einer fehlenden Hand keine Möglichkeit zum Erklären gab. Ich runzelte die Stirn und schob sie weg, dann hielt ich schließlich meinen verwundeten Arm hoch und schüttelte ihn vor ihr; die Wunde hatte sich sofort geschlossen, kein Blut trat mehr hervor, nichts mußte getan werden. Mit einem Laut des Unglaubens fuhr sie zurück, mich mit Fragen in den Augen ansehend, die ich nicht beantworten konnte. Dann streichelte sie mit den Fingerspitzen sanft meine Wange, und in ihrer Berührung lag kein Ekel. Endlich ließ ich sie mich in warme Decken begraben, das Feuer hochschüren, und dann glitt ich immer tiefer in die Dunkelheit durch Schichten quälender Träume.
Ich schlief zwei Tage lang, und als ich aufwachte, war mein Kopf klar, ich war wieder ganz bei mir und nahe am Verhungern. Als hätte sie es gewußt, versorgte Etaa mich reichlich mit heißer Suppe, die ich beinahe verschlungen hätte, obwohl sie wahrscheinlich Gift für mich gewesen wäre. Unglücklich wies ich sie zurück, wiederum zu keiner Erklärung fähig. Verletzt und schuldbewußt senkte Etaa den Blick, als hätte ich sie selbst zurückgewiesen. Ich berührte ihr Gesicht in einer tröstlichen Geste, die ich bei den Menschen gesehen hatte, und machte mit einer Hand Zeichen, Kann nicht … kann nicht. Für mich … Dosen … Ich zeigte auf meine eigenen Lebensmittelvorräte, die neben denen für Menschen an der Tür auf staubigen Regalen gestapelt standen. Sie hob den Kopf, als hätte sie es wissen müssen, und sie ging. Ich sah nach meiner Wunde und bemerkte Anzeichen dafür, daß das Gewebe schon anfing, sich zu regenerieren. Das allerdings brachte mich auf ein weit größeres Problem: Ich hatte nach und nach meine sämtlichen Gliedmaßen absorbiert; wie konnte ich jetzt irgend etwas mitteilen, wo ich das Bedürfnis und einen Grund dazu hatte?
Etaa kam mit einem Armvoll Dosen zurück, die sie neben mein Lager stellte. Kniend hielt sie mir dann Block und Stift hin, die ich draußen für meine Zeichnungen benutzt hatte. Ich ergriff beides, und strahlend über ihre Eingebung signalisierte sie: Schreib für mich.
Mir war zu Ohren gekommen, daß der König ihr beigebracht hatte, die archaischen „heiligen Bücher“ zu lesen, ich hatte es aber nicht geglaubt. Unbeholfen schrieb ich: „Kannst du das lesen: ‚Ich heiße Etaa
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