Das Kind der Stürme
geholfen hatte. Ich hatte es sogar beinahe genossen. »Tante Aisling ist stets freundlich zu mir gewesen. Die Kinder sind keine Mühe. Aber ich danke Euch für Eure Höflichkeit. Ich freue mich tatsächlich auf ein wenig Ruhe und Alleinsein.«
»Ich muss gestehen«, sagte Eamonn bedächtig, »dass dies nicht ganz dem entspricht, was ich vorhatte. Du wirst hier zwar sicherlich Ruhe und Frieden haben, wenn du das wünschst, aber meine Motive sind nicht ganz uneigennützig. Ich nehme an, du bist dir dessen bewusst.«
Ich warf ihm einen raschen Blick zu, dann schaute ich wieder in meinen Weinkelch. Bedeutete das, was ich glaubte, dass es bedeutete? Sicherlich nicht! »Ich hatte gehofft«, fuhr er fort, »dass wir ein wenig Zeit miteinander verbringen könnten. Ich muss mich selbstverständlich um den Landsitz kümmern, und die Kinder halten sich gern in deiner Gesellschaft auf. Aber es gibt immer noch die Abende. Und wenn dieses gute Wetter anhält, können wir zusammen ausreiten. Das Land ist hier angenehm: Es gibt Weiden, waldige Täler, einen Wasserfall. Das würde ich dir gerne alles zeigen.«
»Reiten?«, fragte ich. »Das ist wohl kaum meine Stärke.«
»Du bist auf dem Weg hierher gut zurechtgekommen, Fainne. Ich nehme an, du gehörst zu den Leuten, die schnell lernen.«
Ich lächelte. »So sagt man.«
Nun sah er mich sehr direkt an, und in seinen Augen stand ein Glitzern, das Großmutter ebenfalls sofort erkannt hätte. »Ich bin ein guter Lehrer«, sagte er leise. »Du wirst das noch bemerken, wenn du mich erst besser kennst.«
Ich spürte, wie meine Wangen zu glühen begannen. »Das bezweifle ich nicht«, murmelte ich. Er hatte es tatsächlich so gemeint. Ich konnte es kaum glauben, denn ich hatte nicht einen einzigen der kleinen Tricks angewandt, die Großmutter mir gezeigt hatte, nicht seit wir Sevenwaters verlassen hatten. Ich hatte ihn kein bisschen ermutigt. Aber es schien klar, was er wollte. Das war sowohl seltsam als auch beunruhigend. So früh, wie die Höflichkeit es zuließ, gab ich vor, müde zu sein, und zog mich in die einsame Sicherheit meines Zimmers zurück.
Das Wetter blieb gut, wenn auch kalt. Die Mädchen erforschten das lang gestreckte niedrige Haus mit seinen festen Steinmauern und dem kunstvollen strohgedeckten Dach, sie erkundeten Ställe und Scheunen, halfen beim Füttern der Hühner und brachten den Bewohnern von Eamonns gut gepflegten Ställen kleine Naschereien. Eilis kultivierte die Freundschaft zu einem langbeinigen schwarzen Pferd, neben dem sie vollkommen winzig aussah. Sie hoffte wohl, auf diesem beeindruckenden Geschöpf davonreiten zu können, sobald es ihr erst gelungen war, ihren Onkel zu überreden, ihr die Erlaubnis zu geben. Ich beneidete sie um ihr Selbstvertrauen. Clodagh fand heraus, wie leicht man wieder aus dem Irrgarten kam, und zeigte es den anderen triumphierend. Deirdre fiel beim Ballspielen in den Teich, und ihre gesamte Kleidung musste gesäubert und vor dem Feuer getrocknet werden. Die Mädchen waren ständig beschäftigt, und langsam kehrte das Lächeln auf ihre Gesichter zurück. Nur Sibeal blieb still. Sie hatte ihr kleines Schreibtäfelchen aus Sevenwaters mitgebracht, und während ihre Schwestern die Hühner die Gartenpfade entlangscheuchten, Ball spielten oder den Pferden Möhren brachten, konnte man sehen, wie sie sorgfältig mit dem kleinen Griffel Buchstaben auf die Wachsoberfläche kritzelte. Ich war die Einzige, der sie ihre Arbeit zum Verbessern brachte – eine Tatsache, die nicht unbemerkt blieb.
»Du kannst also recht gut schreiben?«, fragte Eamonn mich später, als wir nach dem Essen in der Halle saßen. Vor dem Essen waren andere anwesend gewesen: sein Brithem, sein Verwalter, sein Waffenmeister und mehrere andere Männer aus dem Haushalt, und falls diese verheiratet waren, auch ihre Frauen. Aber Eamonn aß anscheinend nicht in Gesellschaft seiner Leute. Hier ging es nicht zu wie in Sevenwaters, wo alle beim Essen zusammensaßen und stets lebhafte Gespräche geführt wurden, die hier und da in Gelächter endeten, wo die Kinder bei ihren Eltern am Tisch saßen und die Arbeiter die Früchte ihrer Tätigkeit mit dem Herrn und seiner Frau teilten. Hier traf sich die kleine Gruppe vertrauter Berater, um über ernste Dinge zu sprechen: Landstreitigkeiten, Viehhandel, ein Problem in der Waffenschmiede, ein gerade eingetroffenes Schiff, zu dem Männer ausgesandt wurden, um Waren einzutauschen. Die Frauen trugen wenig zum Gespräch bei, aber
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