Das Kind der Stürme
ich sah, dass ich scharf beobachtet wurde. Es ging um Männerthemen. Ich lauschte sorgfältig, aber ich begriff nicht viel davon. Es war seltsam genug, dass ich in diese Gruppe eingeschlossen wurde. Meine Gegenwart war zunächst Anlass für einige hochgezogene Brauen und selbst ein Zwinkern von einem der Männer, obwohl mir auffiel, dass sie sich vorher überzeugten, dass Eamonn gerade nicht hinsah. Als es dann Zeit zum Essen war, verschwanden sie alle wie auf einen unausgesprochenen Befehl und ich blieb mit Eamonn zurück an dem herrschaftlichen Tisch, dessen feines Eichenholz wie ein Spiegel glänzte. Ich sagte nichts dazu, obwohl es mir tatsächlich viel lieber gewesen wäre, mit meinen Cousinen und ihren Dienerinnen in ihrem eigenen Zimmer zu essen oder einen Bissen in der Küche aufzulesen oder wo immer die anderen Leute aus Glencarnagh aßen. Ich dachte an einen Fisch, der über einem kleinen Feuer briet, mit einer oder zwei Rüben dazu. Ich hatte mit diesem Mann nichts zu tun, und ich verstand nicht, was er von mir erwartete.
Ich aß ordentlich und gesittet, wie Großmutter es mir beigebracht hatte, sagte wenig, und endlich war das Essen vorbei und wir setzten uns ans Feuer, wo der Wein schon auf einem kleinen Tisch bereitstand. Das war der Zeitpunkt, an dem Eamonn Sibeals Schreibübungen und meine Hilfe dabei ansprach.
»Ja, ich kann lesen und schreiben«, sagte ich vorsichtig. »Ich kann Latein ins Irische übersetzen und Irisch in Latein. Ich schreibe recht gute Halbunitialen. Ich hatte einen hervorragenden Lehrer.«
»Ich dachte schon, dass du in einem Haus des Gebets eine gute Ausbildung erhalten hast, obwohl mir klar ist, dass eine heilige Schwester nicht erwarten darf, das gleiche Maß an Bildung zu erreichen, wie es einem jungen Mann in einer solchen Einrichtung zuteil wird. Immerhin sollen die Schwestern ihre Zukunft innerhalb dieser Mauern verbringen. Und dennoch konnten sie dich nicht dazu bringen, zum Christentum überzutreten.«
»Woher wisst Ihr, dass ich keine Christin bin?«, fragte ich. Ich hatte keine Ahnung, wie weit dieses Gespräch gehen würde, bevor ich lügen müsste.
»Ich weiß, dass Conor von deinem Wissen und deinen Fähigkeiten beeindruckt war und mit Sean darüber gesprochen hat, dass du dich vielleicht seinen Brüdern und Schwestern in den Nemetons anschließen könntest. Irgendwie ist es dir gelungen, den Glauben deines Vaters zu bewahren. Man hat mir gesagt, er sei Druide gewesen. Ich fand das interessant.«
Ich antwortete nicht. Der Wein war gut; er wärmte das Herz und ließ meine Gedanken ein wenig unklar werden. Eamonn schien im Stande, davon einen Becher nach dem anderen zu trinken, ohne dass es sich auf ihn auswirkte.
»Möchtest du wissen, was ich denke?«, fragte er.
Ich schwieg.
»Ich denke, das wäre eine Verschwendung.«
»Was?«
»Wenn du zu den Druiden gingst. Es ist offensichtlich, dass du Kinder gern hast. Ich denke, du hättest nichts gegen die Möglichkeiten, die ein erfüllteres Leben dir bieten würde.«
Ich sah ihn so ruhig an, wie ich konnte, was nach all dem Wein nicht leicht war.
»Man könnte behaupten, das erfüllteste Leben sei ein Leben des Geistes«, sagte ich ernst. »Man hat mich erzogen, das zu glauben.«
»Aber du glaubst es nicht, nicht wahr, Fainne?« Er war näher gerückt, und ich wurde plötzlich nervös, als wollte er mich aushorchen, als witterte er wie ein Raubtier. Es beunruhigte mich, dass ich ihm gestattet hatte, die Situation so schnell auszunutzen.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich und schluckte. »Ich bin erst fünfzehn, und meine Zukunft ist unsicher. Sicher werde ich Entscheidungen treffen müssen, und ich hoffe, dass Onkel Sean mich dabei anleitet.«
»Dennoch«, meinte er und hob die Hand, um die Weinflasche vom Tisch zu nehmen, wobei er wie zufällig meinen Arm streifte. »Keine Entscheidung sollte blind getroffen werden. Es wäre klug, einige Möglichkeiten zu erforschen, bevor man einen Kurs festlegt. Oder etwa nicht?«
»Mag sein«, sagte ich und zwang mich, mit dem Zittern aufzuhören. Ich hätte gern auch mein Herz gezwungen, langsamer zu schlagen.
»Du brauchst keine Angst vor mir zu haben«, sagte Eamonn.
Ich hatte keine Ahnung, wie ich auf eine solche Bemerkung reagieren sollte, also ignorierte ich sie. Ich hob die Hand zum Amulett und hoffte verzweifelt auf eine Inspiration. Ich holte tief Luft. Vielleicht bestand die einzige Verteidigungsmöglichkeit im Angriff. »Darf ich Euch etwas fragen?«,
Weitere Kostenlose Bücher