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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Vertrauens, die Wache über den Wald, die die Menschen von Sevenwaters gehalten haben – soll das alles umsonst gewesen sein?
    Ah. Genau darum geht es ja. Alles wird im Laufe der Zeit verschwinden. Der See, der Wald, Druiden und Herren und Feenvolk. Alles, was du um dich herum siehst. Die Schlacht muss gewonnen werden, die Inseln wieder beansprucht, bevor es zu spät ist. Alles muss in Übereinstimmung mit der Prophezeiung geschehen. So hat es die Göttin selbst bestimmt. Die Inseln sind der letzte Ort. Dort wird bewahrt, was das Kostbarste ist. Dort wird es gehütet, bis sich das Rad weiterdreht und eine Zeit wiederkehrt, in der die Menschen erneut den Herzschlag der Erde hören und sich dem inneren Leben zuwenden. Wenn das Kind der Prophezeiung eintrifft, kommt mit ihm der Hüter der Wahrheit, der Wächter auf der Nadel. Dies muss geschehen, oder wir sind wahrhaft alle verloren. Glaub mir, die Túatha Dé würden die Hilfe der Menschen nicht suchen, wenn es nicht notwendig wäre. Es verletzt ihren Stolz gewaltig, sich so erniedrigen zu müssen. Aber nur durch die Menschen kann die Prophezeiung erfüllt werden, nur sie können die Geheimnisse hüten.
    Einen Augenblick. Hüter der Wahrheit, Wächter auf der Nadel? Ich erinnere mich nicht, dass so etwas zuvor erwähnt wurde. Was hat das zu bedeuten? Ihr sprecht in Rätseln.
    Das Mooswesen öffnete seinen klaffenden Mund. Vielleicht versuchte es zu lächeln. Daran solltest du doch gewöhnt sein, Kind. Ist dein Vater nicht ein Druide?
    Wir können dir nicht sagen, was geschehen wird, sagte das Eulengeschöpf. Prophezeiungen und Visionen sind nie so einfach, wie sie aussehen. Es wird Kampf und Blut und Tod geben, Opfer und Tränen. Das ist offensichtlich genug. Aber nicht das Töten selbst ist wichtig. Es geht um das Bewahren. Den unausgesprochenen Teil. Die Bewahrung der Wahrheit in Zeiten von Finsternis und Ignoranz. Ohne das sind wir alle verloren, und du hast Recht: Dann werden die Jahre von Verlust und Schmerz sinnlos gewesen sein.
    Warum sagt ihr mir das? Ich schauderte. Wenn dies die Wahrheit war, dann war die Aufgabe, die Großmutter mir gestellt hatte, entsetzlich. Ihr wisst, wer ich bin und wer mein Vater ist. Ihr wisst sicher auch von meiner Großmutter und was sie getan hat. Ist es nicht sehr dumm von euch, mir eure Geheimnisse anzuvertrauen?
    Glaubst du? Das war das wässrige Wesen, und seine plätschernde, gurgelnde Stimme war sehr beruhigend. Hast du noch nie daran gedacht, dass jedes Mädchen zwei Großmütter hat?
    Dann waren mit einem Flattern und Verschwimmen plötzlich alle verschwunden.
    »Hast du sie gesehen?« Sibeals Stimme erschreckte mich so, dass ich beinahe in den Teich gefallen wäre.
    »Gesehen? Wen?«, fragte ich.
    »Die Dame. Hast du sie nicht gesehen?«
    »Welche Dame?« Ich starrte meine Cousine an und staunte über ihre Ruhe. Offenbar hatte sie von meinen seltsamen Gesprächspartnern überhaupt nichts bemerkt. »Die Herrin des Waldes. Hast du sie denn nicht gesehen? Sie war direkt dort auf der anderen Seite des Teichs.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Ich habe keine Dame gesehen«, sagte ich. »Kommt sie oft zu dir?«
    »Manchmal.« Sibeal stand auf und zupfte ihren Rock zurecht. »Sie zeigt mir Bilder.«
    »Bilder?«
    »Im Wasser. Ich habe Maeve gesehen.«
    Ich hatte schreckliche Angst und bekam kein Wort heraus.
    »Sie war erwachsen, älter als Muirrin. Aber ich wusste, dass sie es war. Ich habe es an ihrem Gesicht gesehen.«
    »Ihr Gesicht?«, wiederholte ich dümmlich. Ich war nicht sicher, ob ich das alles wirklich wissen wollte.
    »Ja, die Narben. Und ihre Hände waren immer noch verletzt, sie hatte Handschuhe an. Aber hübsche Handschuhe. Gehen wir jetzt zu den anderen zurück?«
    »Nein. Erzähl mir den Rest.«
    »Was für einen Rest?«
    »Maeve. War sie – ging es ihr gut? Was hat sie gemacht? War sie glücklich?«
    Sibeal warf mir einen überraschten Blick zu. »Sie hatte ein Baby. Sie hat ihm vorgesungen. Warum fragst du?«
    »Was glaubst du wohl?«, rief ich gereizt und vergaß, dass sie nur ein kleines Mädchen war. »Selbstverständlich will ich es wissen! Du siehst die Zukunft, nicht wahr? Auf diese Weise wissen wir, dass sie überleben und sich erholen wird und eine Art Zukunft hat! Selbstverständlich will ich das wissen!«
    »Weine nicht, Fainne«, sagte Sibeal feierlich und bot mir ihr kleines Taschentuch an.
    »Ich weine nicht«, entgegnete ich erbost, weil ich die Beherrschung so leicht verloren hatte. Und ich

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