Das Kind der Stürme
gekleidet in schwere Umhänge mit Kapuzen und feste Winterstiefel. Die Sonne strengte sich an, hinter den Wolken vorzukommen, die immer noch schwer vom Regen waren, und der Wind war beißend kalt, aber die Mädchen strahlten. Sie waren froh, wieder nach draußen zu können.
»Es ist schön hier«, sagte Deirdre. »Man kann lange spazieren gehen, ohne dass irgendwo ein Bewaffneter vorspringt und einem den Weg versperrt.«
Eilis sprang über Pfützen, eins, zwei, drei – hüpf! Eins, zwei, drei – platsch! Sie würde sich umziehen müssen, wenn wir zurückkehrten. Als wir zwischen ordentlich geschnittenen Eibenhecken auf einen kleinen Hain mit kahlen Nussbäumen zugingen, stellte ich fest, dass es doch Wachen gab. Sie sprangen uns nicht in den Weg, wie Deirdre es ausgedrückt hatte, sondern hielten sich in angemessener Entfernung. Männer in Grün, gut bewaffnet und schweigend. Man gestattete uns vielleicht, spazieren zu gehen, aber unbewacht waren wir nicht. Ich nahm an, dass dies nur unserer Sicherheit diente. Dennoch ärgerte es mich. Ich dachte an Kerry und daran, wie Darragh und ich über die Klippen geklettert waren wie kleine wilde Ziegen und niemand je daran gedacht hatte, uns dafür zu tadeln oder sich zu fragen, wann wir wieder nach Hause kämen. Sie wussten, dass wir in Sicherheit waren, weil wir zusammen waren. Ich sehnte mich danach, wieder dieses kleine Mädchen zu sein. Aber es gab keine Möglichkeit, die Vergangenheit umzuschreiben, man konnte die Drehung des Rades nicht aufhalten.
Deirdre wollte auf Bäume klettern. Sie zog die Röcke in den Gürtel hoch und kletterte mit beeindruckender Kraft und undamenhaft entblößten Beinen nach oben. Sofort wollte Eilis auch hochgehoben werden.
»Kinder!«, schnaubte Clodagh und hob ihre kleine Schwester hoch genug, um den untersten Ast zu erreichen, aber das Blitzen in ihren Augen kündigte schon an, dass sie sich von ihrer Zwillingsschwester nichts vormachen ließe, und bald kletterten die drei wie Eichhörnchen herum und schaukelten gefährlich an den kahlen Ästen.
Sibeal hatte sich auf einem flachen Felsen niedergelassen, nah der Stelle, an der der vom Regen angeschwollene Bach in einen kleinen, runden Teich floss. Heute schäumte das Wasser regelrecht, so stark war die Strömung selbst an diesem ansonsten ruhigen Ort. Sibeal saß im Schneidersitz da, die Hände reglos im Schoß, der Rücken sehr gerade. Es war die gleiche Meditationsstellung, in der Conor dagesessen hatte. Sie richtete den Blick aufs Wasser. Ich setzte mich leise auf den Felsen neben sie.
Einige Zeit verging. Geräusche erhoben sich und wurden wieder schwächer: das Lachen und Kreischen der anderen Mädchen, das Knarren von Ästen, die Rufe der Vögel, die Stimme des Wassers selbst, als es in den Teich hinabrauschte. Die Sonne zeigte abrupt ihr Gesicht zwischen den Wolken, und Licht berührte die Wasseroberfläche, blendend in seiner reinen Helligkeit. Der weiße Schaum wurde golden, die weißen Steine glitzerten.
Jemand hockte nun auf meiner anderen Seite, jemand etwa von der Größe meiner kleinsten Cousine, aber mit Federn bedeckt. Irgendwie war es möglich, sich zu unterhalten, ohne ein Geräusch zu machen.
Du schon wieder!
Enttäuscht? Wen hattest du erwartet?
Ich bin nicht hier herausgekommen, weil ich nach einem Wesen der Anderwelt Ausschau halten wollte.
Aha. Wenn eine geistige Stimme Unglauben ausdrücken konnte, dann war es das, was das Geschöpf mir vermittelte. Und ich bin nicht gekommen, weil du gerufen hast, sondern sie.
Meine Cousine hat dich gerufen?
Sie hat den Weg geöffnet, damit ich herüberkommen konnte. Aber was sie sieht, ist etwas ganz anderes. Sie schaut ins Wasser. Sie sieht, was sein wird und was sein könnte. Ich bin wegen dir hier.
Wieso solltest du zu mir kommen? Ich war bereits verwirrt genug. Das Letzte, was ich brauchte, war ein weiteres kryptisches Gespräch, das mehr Fragen aufwarf, als es Antworten gab.
Du bist durcheinander. Ich spüre es. Du hast die Orientierung verloren, falls du jemals welche hattest. Und du weißt nicht, wen du nach der Richtung fragen sollst.
Ich brauche keine Anweisungen. Ich kann meinen Weg selbst finden. Mein Vater hat mir beigebracht, wie ich meine Probleme lösen kann.
Und das wirst du auch tun. Daran haben wir keine Zweifel. Aber du verschwendest hier deine Zeit. Wie wäre es mit einem kleinen Rat?
Deinem Rat? Lieber nicht. Ich weiß nicht einmal, wer du bist. Was du bist.
Das kleine eulenhafte
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