Das Kind der Stürme
hätte nicht einmal weinen können, selbst wenn ich wollte. Bei denen von unserer Art schienen die Tränen nur immer nach oben zu drängen und weiter nach oben, flossen aber nie; es war ein Ozean von Tränen, der nur unser Herz überschwemmte.
»Das Problem ist«, fuhr sie fort als wir langsam durch den Hain zu den anderen zurückgingen, »dass man nie sicher sein kann, ob das, was man sieht, wirklich geschehen wird, oder ob es nur etwas ist, was geschehen könnte. Oder es könnte nur ein – nur ein Symbol sein.«
»Weißt du, was das bedeutet?«, fragte ich gegen meinen Willen amüsiert.
»Das ist, wie wenn man einen Schädel zeichnet, wenn man den Tod darstellen will«, erklärte Sibeal ernst. »Oder einen Ring für ein Versprechen. Wie Sonnenlicht für Freude oder Schatten für ein Geheimnis.«
»Vergiss, dass ich gefragt habe«, sagte ich. »Bist du sicher, dass du erst acht Jahre alt bist?«
»Ich glaube schon«, antwortete Sibeal verwirrt.
An diesem Abend aß ich nicht mit Eamonn. Er hatte mich abgepasst, als ich in mein Zimmer zurückkehrte, um meine schlammigen Stiefel gegen Pantoffeln einzutauschen und mein wirres Haar ein wenig zu frisieren. Als hätte er meine Anwesenheit gespürt, kam er aus dem Ratszimmer, als ich an der Tür vorbeiging, und schloss die Tür sofort wieder hinter sich. Aber ich war eine ausgebildete Beobachterin, und ich sah, dass zwei Männer drinnen am Tisch standen. Ich hörte sogar einige Fetzen ihres Gesprächs.
»Der Sohn ist der Schlüssel«, sagte der größere Mann, der mit dem hellen Haar, das er in Zöpfen trug. Er hatte ungleich hohe Schultern, als wäre eine alte Verletzung schlecht verheilt. Der andere war kleiner, älter, mit strengem Gesicht und einem eisengrauen Bart. Als die Tür zufiel, war nichts mehr zu hören.
»Fainne«, sagte Eamonn freundlich und sah mich von oben bis unten an. »Ich sehe, dass du draußen warst. Hattest du einen angenehmen Morgen?«
»Ja, danke.« Sein Blick erinnerte mich an meine roten Wangen, mein wirres Haar, das zerknitterte Kleid und die Tatsache, dass ich immer noch schwer atmete, nachdem wir den ganzen Weg vom Hain zum Haus Fangen gespielt hatten. »Die Mädchen sind auf die Bäume geklettert.«
»Hast du gut geschlafen?«
»Gut genug. Und Ihr?«
Er verzog das Gesicht. »Ich finde dieser Tage keine Ruhe. Aber das zählt nicht. Ich schlage vor, dass du heute Abend früher ins Bett gehst, Fainne. Ich kann nicht mit dir zusammen essen. Es tut mir Leid. Ich werde mit Beratungen beschäftigt sein, solange diese Männer hier sind. Ich muss zugeben, dass ich dich ganz gerne vorzeigen würde. Aber unter diesen Umständen ist es vielleicht unklug. Meine Gäste werden morgen wieder weg sein. Vielleicht können wir dann ausreiten, wenn deine Cousinen dich einen Tag lang entbehren können.«
»Vielleicht«, sagte ich. Ich war nicht sicher, was überwog: meine Erleichterung über die Aussicht auf angenehmes frühes Abendessen mit den Mädchen, gefolgt von einem guten Schlaf, oder das Entsetzen über den Gedanken an einen Ausflug in Eamonns Gesellschaft. »Ihr habt zu tun. Ich überlasse Euch Eurer Beratung.« Ich drehte mich um, um zu gehen, und spürte, wie er mich am Handgelenk fasste. Für einen Mann seines Alters war er tatsächlich recht schnell.
»Du bist doch nicht böse? Nicht beleidigt, dass ich dich ausschließe?«
Ich sprach, ohne mich noch einmal umzudrehen. »Warum sollte mich das beleidigen? Das hier ist Euer Haus, und es sind Eure Angelegenheiten. Ich erwarte nicht, eins von beidem teilen zu können.« Das klang ziemlich barsch, sobald es ausgesprochen war.
»Nein?«, sagte Eamonn leise und ließ mich gehen. Ich hörte, wie die Tür sich öffnete und wieder hinter ihm schloss, und floh den Flur entlang in mein eigenes Zimmer. Ich war vollkommen verwirrt. Was für ein Ort war dies, dass ich einen Augenblick lang noch draußen auf dem Feld war und mich mit Geschöpfen aus der Anderwelt unterhielt, die mir vom Ende der Welt erzählten, und im nächsten Augenblick spielte ich ein Spiel, das ich nicht verstand, und mit einem Mann, der alt genug war, mein Vater zu sein? Warum konnte ich nicht wieder fünf Jahre alt sein, als meine größte Sorge gewesen war, meine Beine schnell genug bewegen zu können, um Darragh einzuholen? Nicht dass das je wirklich ein Problem gewesen war. Er hatte immer auf mich gewartet. Bis zu dem Tag, als ich ihm sagte, dass ich ihn nicht mehr brauchte, und ihn weggeschickt hatte.
So viel also zum
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