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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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sehr gefährliche Mischung. Eine Mischung aus vier Völkern. Warum hat dein Vater dich hergeschickt? Warum jetzt, wo alles zu Ende geht?
    Diese Worte bewirkten, dass mir kalt wurde. Ich musste versuchen, die Situation besser zu beherrschen.
    Sagt mir eins, forderte ich. Das Feenvolk will, dass ein Kampf gewonnen wird, oder? Dass die Inseln zurückerobert werden? Ist es das, was ihr meint, wenn ihr sagt, dass alles zu Ende geht? Aber sie haben bereits große Macht. Sind die Túatha Dé nicht Götter und Göttinnen, im Stande, die Muster von Wind und Wellen zu verändern, ganze Armeen niederzustrecken und die schlimmsten Gegner zu vernichten? Warum holen sie sich die Inseln nicht einfach selbst zurück? Wieso müssen Menschen sterben, Generation um Generation, in diesem nicht enden wollenden Kampf? Die Familie von Sevenwaters hat viele Söhne verloren. Und was hat das alles mit euch zu tun? Mit – geringerem Volk?
    Summen und Flüstern erklang. Alle in diesem Kreis seltsamer, kleiner Geschöpfe murmelten. Brauen zuckten, Schweife bewegten sich, Federn wurden aufgeplustert und Nasen angewidert kraus gezogen.
    Geringer? Das Moosgeschöpf sprach mit seiner tiefen, trockenen Stimme. Sie hielten uns für etwas Geringeres, als sie uns in die Brunnen und Höhlen und die Tiefen des Meeres verbannt haben, auf die wilden Inseln und in die Wurzeln der großen Eichen. Aber wir sind trotz allem geblieben. Wir bleiben, und wir sind leise. Die Zeiten ändern sich, Tochter, die Ordnung ändert sich. So ist es auch mit den Túatha Dé. Nachdem die Söhne von Mil hier eingetroffen waren, begann ihr Stern zu sinken. Ihre Tage waren gezählt. Dein Vater und der Erzdruide gehören zu den letzten Weisen dieses Landes. Conor hat Recht, wenn er den Verlust seines besten Schülers beweint, denn er wird keinen anderen wie ihn finden, nicht zu Lebzeiten irgendeines sterblichen Mannes, der heute auf der Erde wandelt, nicht zu den Zeiten deiner Kindeskinder oder deren Kindeskinder. Die Menschen versuchen sich in Spielen um Macht und Einfluss. Sie reisen zu fernen Horizonten und suchen nach Reichtum, der über jede Vorstellung hinausgeht. Sie wollen besitzen, was nicht besessen werden kann. Sie fällen die uralten Bäume, um Weiden für ihr Vieh zu beschaffen. Sie gewinnen Erz aus den tiefen Höhlen und stürzen die Stehenden Steine um. Sie wenden sich mit Begeisterung einem neuen Glauben zu, und vielleicht meinen sie das auch ganz ernst. Aber sie entfernen sich immer weiter von den alten Dingen. Sie können den Herzschlag der Mutter Erde nicht mehr hören. Sie können die Veränderungen der Luft nicht mehr riechen, sie können nicht mehr sehen, was hinter dem Schleier der Schatten liegt. Selbst ihr Gott ist nach ihrem eigenen Bild geschaffen, denn nennen sie ihn nicht den Menschensohn? Sie haben sich aus eigenem Willen von den alten Zyklen von Sonne und Mond, dem Lauf der Jahreszeiten abgewandt. Ohne die Menschen ist auch das Feenvolk nichts mehr. Sie ziehen sich zurück und verbergen sich, und es bleibt kaum mehr etwas anderes übrig als der Clurichaun mit seinem kleinen Bierkrug, ein Gnom, der an Samhain die Milch stiehlt, und das nur vage vernommene Klagen der Kriegsfeen. Sie sind kaum mehr als eine Erinnerung im Geist eines gebrechlichen alten Mannes; eine Geschichte, die von einer verrückten alten Frau erzählt wird. Wir haben das vorhergesehen, Fainne. Diese Zeit wird kommen, und bald: Äxte werden den großen Wald von Sevenwaters fällen, bis er nur noch ein Hauch seiner selbst ist. Hier und da eine alte Eiche mit ein wenig Moos daran. Eine einzelne Birke am Ufer, wo einmal eine Familie klaräugiger Kinder den Namen ihrer Mutter und den Namen der großen Dana in einem Atemzug ausgesprochen hat. Der See selbst ist nicht mehr als ein vertrockneter Teich. Es wird keine Zuflucht für sie geben, und wenn sie vergehen, vergehen auch wir. Wir haben das vorhergesehen.
    Diese ruhigen, gemessenen Worte bewirkten, dass ich bis ins Mark zitterte.
    Kann es irgendwie aufgehalten werden?, fragte ich.
    Wir haben es vorhergesehen. Das ist es, was geschehen wird. In einer solchen Welt gibt es für uns keinen Platz. Rings um mich her seufzten die Geschöpfe wie aus einem Mund.
    Warum ist es dann so wichtig, die Inseln zurückzugewinnen? Es ist in diesem Fall doch sicher gleich, ob die Prophezeiung erfüllt wird oder nicht? Das Zeichen des Raben, der auserwählte Anführer und so weiter  … Ihr sagt, es wird sowieso alles verloren gehen. Die Jahre des

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