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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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wirbelte. Ich dachte an meinen Vater, wie er ganz allein in der Dunkelheit der Honigwabe wartete, und sprach leise die Worte der Überlieferung, benutzte das Werkzeug, das er mir gegeben hatte, um meinen Mut zu bewahren und mich auf das zu konzentrieren, was war, was ist und sein muss.
    Wo kommst du her?
    Aus dem Kessel des Unwissens.
    Und wonach strebst du?
    Nach Wissen. Nach Weisheit. Ich suche den Weg zum Licht.
    ***
    Es war eine seltsame Jahreszeit für eine Reise, das Wetter war ungnädig, die Tage sehr kurz. Aber ich stellte keine Fragen. Onkel Sean hatte Eamonn die Botschaft geschickt, die Johnny vorgeschlagen hatte. Alle nahmen an, dass der Empfänger nicht sonderlich erfreut darüber sein würde und keine Zeit verschwenden würde, um herzukommen und Fragen zu stellen. Daher reisten wir schon an dem Tag ab, an dem der Brief abgeschickt wurde. Bis Eamonn nach Sevenwaters geritten wäre, würde ich schon weit weg sein. Darüber wurde nicht viel gesprochen, aber ich begriff, um was es ging. Vielleicht hätte ich so tun sollen, als ärgerte mich das, aber ich konzentrierte mich auf andere Dinge und ließ es geschehen.
    Zu meiner Verblüffung waren die Mädchen über meinen Abschied sehr traurig. Eilis weinte. Ich hätte nie geglaubt, dass sie viel für mich übrig hätte; immerhin war ich eine hoffnungslos schlechte Reiterin. Vielleicht waren ihre Tränen mehr auf Gewohnheit zurückzuführen. Aber Clodagh umarmte mich, ebenso wie Deirdre, und man sah ihnen an, dass sie traurig waren.
    »Kehre sicher nach Hause zurück«, sagte Clodagh.
    »Du wirst uns schrecklich fehlen«, schniefte Deirdre. »Es wird so langweilig sein, wenn du weg bist.«
    »Lebe wohl, Fainne«, sagte Sibeal ernst. »Und hüte dich vor den Katzen.« Ich starrte sie an und verstand, dass sie in die Zukunft geschaut hatte, vielleicht eine Zeit, in der ich mich verwandeln würde. Ich konnte sie nicht fragen, was sie damit meinte, nicht, während die anderen in der Nähe standen, aber ich nickte zustimmend. Muirrin küsste mich auf beide Wangen und schenkte mir ein Kleid aus weicher Schurwolle, die, wie sie sagte, schön warm sein würde, denn es war auf Inis Eala immer kalt. Muirrin weinte nicht. Evan, der Schüler meiner Tante, sollte in der Zeit vor dem Feldzug in Sevenwaters bleiben, denn er hatte die Körperkraft, um Knochen zu richten, und außerdem Kenntnisse der Chirurgie, über die meine Cousine nicht verfügte. Ich hatte gesehen, wie die beiden einander an der Hand hielten und schüchterne Blicke wechselten, wenn sie glaubten, dass niemand hinschaute, und verstand das rosige Glühen in Muirrins sonst so bleichem Gesicht. Was Maeve anging, von ihr hatte ich mich unter vier Augen verabschiedet und die kleine letzte Geschichte, die ich ihr erzählte, war nur für uns beide bestimmt gewesen. Die Erinnerung an die Wunden des Kindes und an seinen Mut war tief in mir verwurzelt. Ich würde sie benutzen, um daraus Kraft zu schöpfen.
    Bevor wir aufbrachen, zwang ich mich, in die Küche zu gehen und dort nach Dan Walkers Tante Janis zu suchen. Sie saß wie immer auf ihrem Stuhl an der Feuerstelle, eine uralte Hüterin dieser Domäne, eine Art Hausgeist, der mit wohlwollender Disziplin über alle wachte. Das war seltsam, denn schließlich war sie kein Anderweltgeschöpf, sondern nur eine sterbliche Frau von hohem Alter. Die faltige Haut und die eingesunkenen Wangen sagten das, die Hand mit den knotigen Fingern, die sich um den Stock krallten, bestätigte das. Aber ihre dunklen Augen waren immer noch aufmerksam und klar.
    »Nun, Kind, du reist also ab, höre ich? Was soll ich also unserem Jungen sagen, wenn er dich sucht?«
    »Das wird er nicht tun«, erklärte ich entschieden. Vielleicht ließ hohes Alter einen ja unverschämt werden. Sie sagte immer genau das, was sie sagen musste, ganz gleich wie unangenehm das war. »Er weiß, dass er nicht mehr herkommen soll, überhaupt nicht mehr. Und er hat sich im Westen niedergelassen. Das habe ich dir doch schon erzählt.«
    »Einer vom fahrenden Volk lässt sich nicht nieder. Was soll ich ihm sagen? Hast du keine Botschaft für ihn? Oder soll ich etwas erfinden? Soll ich ihm vielleicht sagen, was ich in deinen Augen sehe?«
    »Er wird nicht kommen. Aber wenn – falls er es doch tun sollte, sag ihm …«
    Die Worte, die ich brauchte, waren verschwunden. Die einzige Botschaft, die sich in meinem Herzen befand, war eine vollkommen falsche, eine, die nicht ausgesprochen werden durfte. Darragh durfte es

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