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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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Schrift«, sagte ich, »ist so alt, dass kein lebender Mensch sie kennen sollte. Aber ich wuchs an einem Ort mit Stehenden Steinen auf. Die Zeichen des Sonnensteins waren die Gefährten des glücklichsten Teils meiner Kindheit. Ein paar von diesen Zeichen erkenne ich wieder.«
    »Ich weiß, es ist ein Ort der Alten«, sagte meine Tante leise. »Ein Ort von großer Macht und Wundern.« Sie zögerte, dann fuhr sie fort. »Sie haben hier mit mir gesprochen. Die Fomhóire.«
    Ich starrte sie an. »Du meinst – du meinst diese Geschöpfe, die so aussehen, als wären sie zum Teil Stein, zum Teil Wasser, zum Teil felsige oder gefiederte Geschöpfe? Diese kleinen Wesen, die sich als unsere Ahnen bezeichnen?« Vielleicht war es unvorsichtig, das zu sagen. Aber hier, im Bauch der Erde fühlte ich mich sicherer.
    »Ich habe sie nie gesehen«, sagte Liadan. »Ich hörte nur Stimmen, tiefe, dunkle Stimmen aus Erde und Teich, die mich leiteten. Ich habe sie eigentlich nie für klein gehalten. Ich habe sie mir immer riesig vorgestellt, alt und ungeheuer mächtig. Und sie wiesen mich an, meinem Herzen und meinen Instinkten zu folgen. Es war hier an diesem Ort, an dem … an dem viele Entscheidungen getroffen wurden, Entscheidungen, die den Verlauf der Ereignisse veränderten. Hast du diese Geschöpfe gesehen, Fainne? Du sprichst von ihnen, als wären sie dir vertraut.«
    Ich nickte. »Die Zeichen erzählen von einem uralten Pakt. Sie erzählen von Blut und Dunkelheit. Und von Hoffnung. So viel verstehe ich.«
    Meine Tante starrte mich schweigend an. Unsere Laterne glühte sacht in der Dunkelheit dieses unterirdischen Ortes. Weiter hinten in der riesigen, beinahe leeren Kammer hatten sich ein paar von Johnnys Männern niedergelegt, deshalb sprachen wir sehr leise. Nach einer Weile sagte Liadan vorsichtig: »Sind es diese Geschöpfe, die dich leiten, meine Liebe? Hältst du sie für – wohlwollend?«
    Das hier war gefährliches Gelände. Ich konnte nie wissen, ob Großmutter uns belauschte oder nicht. Dieser Ort kam mir relativ sicher vor, aber es gab keine vollkommene Sicherheit, solange ich das Amulett trug, und wenn ich es abnahm, würde sie sofort erscheinen. »Sie haben ihre eigenen Ansichten darüber, wie die Dinge sein sollten. Aber sie erklären einem selten etwas und überlassen es mir, selbst herauszufinden, was es bedeutet. Wie ist es mit dir weitergegangen? Bist du ihrer Anleitung gefolgt, oder hast du deine eigenen Entscheidungen getroffen?«
    Liadan seufzte. »Beides, denke ich. Es waren die Befehle anderer, denen ich nicht gehorchte. Was ist mit dir, Fainne? Welchem Weg folgst du?«
    Eine gefährliche Frage. »Einem einsamen«, sagte ich. »Das hat man mir zumindest gesagt.«
    »So wie Ciarán?«, fragte sie leise.
    »Ich möchte nicht über meinen Vater sprechen.« Ich legte mich hin und zog mir die Decke über den Kopf. Das Amulett lastete schwer auf mir, seine kleine, böse Form schien die meiste Zeit zu brennen, als könnte ich mich der Überwachung meiner Großmutter nicht mehr entziehen, ganz gleich, wie gut ich dieses Spiel spielte. Ich fragte mich, ob nun, da wir uns dem Ziel näherten, die Macht des Amuletts sich irgendwie verstärkt hatte. Vielleicht stimmte es, was ich angenommen hatte, vielleicht täuschte sie mich. Ich achtete nicht auf das Brennen. Schmerz zählte nicht. Diese Lektion hatte mich mein Vater schon früh gelehrt.
    Ich sollte bald herausfinden, dass Johnny nicht einfach nur ein freundlicher junger Mann war, der verstörte Insekten rettete und die Hände kranker Kinder hielt. Unsere lautlosen Wächter ritten immer zu zweit voran, zwei hinter uns und mehrere Männer auf jeder Seite, nicht immer in Sichtweite, aber nah genug, um sofort da zu sein, wenn wir sie brauchten. Liadan und ich trugen schlichte, dunkle Umhänge, praktische Hemden und Röcke und feste Winterstiefel. Sie ritt eine braune Stute, ich die kleine graue, die Eamonn mir geliehen hatte. Liadan hatte nichts dagegen.
    »Sie gehört mir«, sagte meine Tante schlicht. »Sie war ein Geschenk, und nicht von Eamonn. Und es war sicher nicht meine Schuld, dass sie einmal zurückgelassen wurde. Dieses Geschöpf hat viel gesehen, traurige und schreckliche Dinge. Ich denke, es ist Zeit, dass wir sie nach Hause bringen.«
    Wir ritten über eine Lichtung. Es war ein bitterkalter Morgen, der Boden knirschte vom Frost, und kaum ein Vogel regte sich auf den kahlen Zweigen des Schwarzdorns vor und hinter uns. Dies hier war eine Gegend, in der

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