Das Kind der Stürme
Gelassenheit zu wahren. »Ich verstehe nicht, was du meinst«, sagte ich. »Wozu soll das gut sein?«
»Ich habe es dir gesagt, Fainne. Es ist eine Prüfung. Für dich wird es einfach sein, denn du brauchst überhaupt nichts zu tun. Tatsächlich ist das genau deine Rolle: nichts zu tun. Du beobachtest ihn einfach und tust weiter nichts. Das ist nicht viel, oder?«
Ich schwieg, als mir die Bedeutung ihrer Worte klar wurde. Schließlich flüsterte ich: »Ich verstehe. Welchen Zauber wirst du gegen ihn anwenden?«
Großmutter gackerte leise. »Ausgerechnet du musst mich das fragen? Nach allem, was du getan hast? Komm schon, wo bleibt deine Fantasie? Welchen würdest du benutzen?«
Es war tatsächlich eine Prüfung. Ich kämpfte darum, dass meine Miene weiterhin gleichgültig blieb, während mein Magen vor Ekel brannte. »Du musst sehr vorsichtig sein«, sagte ich. »Tante Liadan sieht vieles. Wenn du vorhast, den Zauber später rückgängig zu machen, sollte es etwas Unsichtbares sein.«
»Vielleicht nächtliche Angstanfälle«, sagte Großmutter ermutigend. »Ich könnte den Burschen mit Vorstellungen von Tod und Katastrophen in den Wahnsinn treiben.«
Ich erinnerte mich an Johnnys graue Augen, seinen stetigen Blick. »Ich glaube nicht, dass das sonderlich gut funktionieren würde«, sagte ich.
»Also was dann?« Sie war sehr ungeduldig geworden. »Was soll es sein?«
Ich wusste die Antwort, obwohl ich es ihr nicht sagen wollte. Zumindest würde das, was ich im Kopf hatte, leicht umzukehren sein. Und um ihr Vertrauen zu behalten, musste ich dieses Spiel weiterführen.
»Bauchschmerzen«, sagte ich. »Das würde ganz natürlich wirken. Etwas, das geringfügig beginnt und schlimmer wird. Was willst du von Johnny? Soll er sich dir unterwerfen? Was willst du beweisen?«
Sie verzog den Mund und zeigte ihre spitzen Zähne. »Ich will wissen, wie lange er so etwas aushält«, sagte sie. »Und was wichtiger ist: wie lange du zusehen kannst, ohne ihm zu helfen. Wenn ihr beide stark seid, wird der Abschluss unseres Unternehmens umso befriedigender sein, Fainne. Ich kann es in der Tat kaum erwarten, ihn zu sehen. Also gut, er wird Bauchschmerzen haben; du wirst alles darüber wissen, da ich es dir in der Vergangenheit selbst demonstriert habe. Ganze Reihen kleiner Zähne, die sich durch seine Eingeweide fressen; Schmerzen, die die Nerven beinahe zerreißen und die Seele beben lassen; eine Qual, die schließlich dazu führen wird, dass er den Tod als einen Segen herbeisehnen wird. Und vergiss nicht, niemand wird etwas von dir erwarten, meine Liebe, du brauchst nur zuzusehen und nicht zu handeln. Nur das.«
Ich nickte und versuchte nicht zu zittern.
»Du wirst mich nicht sehen«, sagte Großmutter, »aber ich sehe dich. Sorge dafür, dass alles so abläuft, wie ich es will.«
»Ja, Großmutter«, sagte ich.
»Mach dir keine Gedanken«, fuhr sie fort, »ich werde dafür sorgen, dass der Bursche sich erholt. Ich will immerhin, dass es ihm gut genug geht, dass er seinen Platz in der letzten Schlacht einnehmen kann. Ich will, dass diese Leute dem Erfolg nahe genug kommen, bis sich im letzten Augenblick alles gegen sie wendet. Die Menschen und das Feenvolk werden gemeinsam untergehen, und wir werden dabei zusehen! Was für ein Anblick das sein wird! Ich werde vielleicht selbst noch ein paar Veränderungen vornehmen – der Gedanke daran ist einfach zu verlockend!«
»Ich werde tun, was du von mir verlangst«, sagte ich. »Und mein Plan mit Eamonn wird funktionieren. Aber ich werde weit weg sein. Du wirst vielleicht bis zum letzten Augenblick nichts mehr von mir hören.«
»Ich werde wissen, wo du bist und was du tust«, sagte Lady Oonagh. »Das tue ich immer.«
Nicht unbedingt immer, dachte ich. »Dann lebe wohl«, sagte ich.
»Lebe wohl, Kind. Ich habe große Hoffnungen auf dich. Enttäusche mich nicht. Vergiss deinen Vater nicht, und den anderen, der nie weit von deinen Gedanken entfernt ist.«
»Nein, Großmutter.«
Ich versuchte so selbstsicher und fest zu klingen wie möglich, während die Flammen niederbrannten, die glühenden Augen verschwanden und die böse Stimme verklang.
Ich wartete lange Zeit, und als ich es für sicher hielt, ging ich zur Truhe, holte Riona heraus, legte mich aufs Bett und umarmte sie wie ein Kind. Ich konnte nicht aufhören zu zittern, selbst unter der Decke, und nach einiger Zeit stand ich wieder auf, ging zum Fenster und sah zu, wie der Schnee sachte durch die dunkle Winternacht
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