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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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treffen.
    »Nun sollten wir uns ausruhen, wenn das möglich ist«, sagte Edwin von Northwoods ernst. »Morgen kämpfen wir weiter. Wir kämpfen bis zum letzten Mann. Ich werde nicht zulassen, dass man mich später als den Feigling bezeichnet, der sich die Inseln einfach entreißen ließ. Betet, Freunde, dass der Herr auf unserer Seite stehen möge. Betet um ein Wunder.«
    In diesem Augenblick flackerte plötzlich Licht auf der anderen Seite des Hofs auf, in der Nähe des runden Turms, der ihre letzte Verteidigungsbastion war, und eine kleine Gruppe Männer kam in Sicht. Einer hielt eine brennende Fackel in der Hand, zwei hatten einen jungen Krieger ganz in Schwarz gepackt, einen Mann, dessen Haut im Fackellicht kreidebleich aussah, dessen Gesicht zerschlagen und geschwollen war und in dessen Augen Trotz stand, als sie ihn vor Edwin von Northwoods schleppten. Der britische Anführer starrte den Gefangenen an; starrte in die leidenschaftlichen grauen Augen, deren jugendliche Intensität durch das zarte Muster auf der Haut von Stirn und Wangen noch betont wurde. Das Zeichen des Raben.
    »Seht doch, was die Flut angespült hat«, sagte einer.
    »Vielleicht«, sagte Edwin leise, »ist unser Wunder schon geschehen. Mit einem solchen Gefangenen können wir vielleicht feilschen.« Er wandte sich seinen Hauptleuten zu. »Wisst ihr, wer das ist?«
    Sie murmelten zustimmend. Sie hatten den Mann vielleicht noch nie zuvor gesehen, aber offenbar war seine Beschreibung gut bekannt.
    Johnny sagte etwas mit leiser Stimme; ich konnte die Worte kaum verstehen. Seine Kleidung war klatschnass, seine Haut kreidebleich. Ich fragte mich, wie lange er wohl im Wasser gewesen war, bis die See ihn in die Hände der Feinde warf.
    »Es wird kein Feilschen geben«, sagte er. »Mein Onkel wird die Mission nicht um meines Lebens oder meiner Sicherheit willen aufs Spiel setzen. So denken wir nicht.«
    »Mag sein«, sagte Edwin leise. »Vielleicht wird Sean von Sevenwaters es nicht tun. Aber was ist mit Eurem Vater?«
    Johnny schwieg; er konnte nicht ganz verbergen, wie erschrocken er war.
    »O ja«, sagte Edwin. »Er kämpft mit den anderen zusammen. Er hat das Schwert gegen seine eigenen Landsleute erhoben. Wird er mit ansehen, wie sein Sohn für ein Prinzip geopfert wird?«
    »Er wird keinen Handel mit Euch abschließen. Nicht für mich und nicht für irgendjemanden.«
    Edwin verschränkte die Arme. »Nun, das werden wir sehen, wenn es so weit ist. Ich denke, Euch steht vielleicht eine Überraschung bevor.« Er wandte sich den Männern zu, die Johnny festhielten. »Schließt ihn für die Nacht ein. Stellt Wachen auf. Und gebt dem Burschen eine Decke, er ist klatschnass.«
    »Er ist verwundet, Herr«, sagte jemand zögernd. »Er blutet aus einer Fleischwunde und hat auch die eine oder andere Rippe gebrochen. Und er ist halb ertrunken. Ein Wunder, dass er so lange überlebt hat; offenbar hat das Meer ihn auf die Felsen geschleudert, und er ist irgendwo in Sicherheit gekrochen. Wir haben ihn zufällig gefunden.«
    »Wird er vor dem Morgen sterben?«
    »Nein, Herr.«
    »Also dann. Wie ich schon sagte, gebt ihm eine Decke und schließt ihn ein. Morgen ist ein neuer Tag.« Ich sah zu, wie sie den Gefangenen wegzerrten und wie Edwin und seine Männer sich zurückzogen, um sich auszuruhen. Sie sahen nun erheblich hoffnungsvoller aus als noch kurz zuvor. Ich sah Fiacha an, und er erwiderte meinen Blick; dann breitete er die Flügel aus und flog von der Insel weg, schnell und gerade nach Südwesten. Mir hatte nie gefallen, wie und was er tat.
    In dieser Nacht verlor ich vor Angst beinahe den Verstand. Johnny hatte überlebt, das Kind der Prophezeiung hatte überlebt! Das ließ mein Herz vor Freude laut klopfen und weckte neue Hoffnung in mir. Aber mit dieser Hoffnung kam der Schrecken. Es war also doch noch nicht zu Ende. Ich würde noch eine Gelegenheit erhalten, alles wieder gutzumachen. Aber ich wusste auch, bevor es zu Ende war, würde Großmutter kommen, und ich würde mich ihr stellen müssen. Ich konnte nur hoffen, stark genug zu sein. Der letzte Kampf, der einzige, der zählte, lag noch vor mir. Fiacha war verschwunden, und meine Freunde aus der Anderwelt hatten mich offenbar im Stich gelassen. An Finbar würde ich mich nicht wenden. Und ich würde mich auch nicht Conor oder Onkel Sean offenbaren. Es würde keine weiteren Opfer am Weg geben. Ich würde dafür sorgen, dass Großmutters Zorn niemanden außer mir traf. Ich musste warten, bis es hell

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