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Das Kind der Stürme

Das Kind der Stürme

Titel: Das Kind der Stürme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Marillier
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war weit entfernt, und im Wald von Sevenwaters konnte man das Lied des Meeres nicht hören; hier musste man an Felsen denken; an einen Stein, so massiv und alt, als wäre er Teil der Erde selbst, als säße man sicher in Danas Schoß. Ich konzentrierte mich auf den Stein und vergaß die Bäume um mich herum. Ich verlangsamte meinen Atem, spürte ihn tief im Bauch, spürte seine Macht in jedem Teil meines Körpers. Einatmen, ausatmen, Pause. Einatmen, ausatmen. Langsam und langsamer. Ich bin hier. Die Erde hält mich. Einstmals saß ich mit dem Rücken an den Stehenden Steinen und wurde eins mit den ewigen Mustern von Sonne und Mond. Nun spüre ich die Kraft dieses Steins unter mir und seine uralte Entschlossenheit in allen Fasern meines Körpers. Es pulsiert in meinem Blut, in meinem Herzschlag, es verankert Geist und Seele. Ich gehöre der Erde, und die Erde ist in mir.
    Lange Zeit verging, oder vielleicht auch kurze Zeit. Ohne mich zu regen, ohne die Augen zu öffnen, wusste ich, dass etwas da war. Es flatterte herab und ließ sich, eulengroß und ein wenig zerzaust, auf dem Moos nicht weit von mir nieder. Es sah mich aus diesen seltsamen, runden Augen an, dann blinzelte es. Dann gab es eine plötzliche Veränderung. Kein Aufblitzen, denn es gab kein Licht. Keine Explosion, es gab auch kein Geräusch. Nur so etwas wie Wellen, eine leichte Veränderung im Stoff der Dinge. Statt einer Eule befand sich dort ein kleines, menschenähnliches Wesen etwa so groß wie Eilis. Aber das hier war kein Kind. Ich hätte nicht sagen können, ob es männlich oder weiblich war, denn es trug ein weites Federgewand, braun, grau, schwarz, graubraun und gestreift, und eine Kapuze aus demselben Stoff, derselben Farbe, so dass nur das Gesicht zu sehen war, rund und eulenäugig, mit einer Stupsnase und buschigen Brauen, und unter dem Umhang ein paar kleine Füße in leuchtend roten Stiefeln. Ich brauchte mich nicht zu regen oder die Augen zu öffnen. Das Auge des Geistes sah klar genug.
    Du bist gut herübergekommen, Feuerkind, sagte die Erscheinung. Das hast du von einem Druiden gelernt, wie?
    Von meinem Vater. Es kam mir so vor, als spräche ich, ohne ein Geräusch von mir zu geben.
    Das erklärt es. Ein großer Verlust für die Weisen. Er hat ein paar sehr dumme Entscheidungen gefällt, genauso wie deine Mutter. Zumindest sah es damals so aus. Aber dann hat sich alles zum Besten gewandt. Die Dinge haben sich geändert, das passiert manchmal.
    Wer bist du? Bist du einer vom – bist du einer von denen, die sich Feenvolk nennen?
    Das kleine Wesen gab ein wohlklingendes Lachen von sich, das in einem eulenhaften Heulen endete.
    Schmeichelei wird dir gar nichts helfen, bemerkte es ein wenig spitz. Feenvolk, wie? Willst du mich etwas fragen? Ich werde antworten. Ich schulde dir etwas. Das hat mich überrascht. Warum hast du mich gerettet? Das gehörte nicht zu deinem Plan, oder?
    Könnte es nicht sein, dass ich dich einfach befreien wollte, weil mir das richtig vorkam?, fragte ich ein wenig beleidigt. Einfach aus natürlicher Freundlichkeit?
    Dafür bist du nicht sonderlich bekannt, oder? Freundlichkeit? Du bist ein Mädchen, das Schätze wegwerfen wird, wenn es glaubt, dass sie ihm im Weg sind. Wir dachten, du interessiertest dich nicht für die Opfer, die du am Weg zurücklässt.
    Wie meinst du das, Opfer? Was ist das hier, ein Verhör? Deshalb bin ich nicht hergekommen.
    Du setzt deine Fähigkeiten geschickt ein. Du kennst dich mit den Techniken wirklich aus. Aber du benutzt sie unklug. Du beachtest die Kosten nicht.
    Welche Kosten? Aber in meinem Hinterkopf sah ich das kleine, klare Bild eines Kabeljaus, der auf dem Boden zappelte, keuchend und sterbend in der kalten, trockenen Luft. Dieses Bild war nie wirklich aus meinem Kopf verschwunden. Ich hatte nur gelernt, es nicht mehr zu sehen. Und ich erinnerte mich daran, wie Riona mich anstarrte, und an diese seltsame kleine Stimme, die keine Stimme war, die sagte: Halte dich lieber an das, was dir noch geblieben ist. Und ich glaubte, sehr leise den Klang eines Dudelsacks zu hören.
    Du solltest vorsichtig sein, erklärte die kleine Person in dem gefiederten Umhang.
    Ist das eine Drohung?, fragte ich herausfordernd.
    Wieder dieses heulende Lachen. Drohen? Ich?
    Nun, was ist es dann? Was willst du mir sagen?
    Vor dir liegt eine große Aufgabe – die größte, Feuerkind. Verschwende deine Kraft nicht, wirf nicht mit deinen Fähigkeiten um dich. Manchmal ist es schon ziemlich schwierig

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