Das Kind der Stürme
von einem Mann oder zweien begleiten lassen. So hat Lord Sean es befohlen.«
»Oh, aber –«
»Es tut mir Leid, junge Dame. Wir können Euch nicht allein weitergehen lassen. Es wäre gefährlich.«
Sie waren beide groß und breit, und ihre Mienen sagten mir, dass es keinen Sinn hätte zu widersprechen. Der auf der linken Seite hatte etwas Entenhaftes an sich, mit vollem Mund und straff zurückgekämmtem Haar. Der andere war mehr wie ein Frosch. Ich beschwor einen Bann herauf und hob meine Hand.
»Ich werde die junge Dame begleiten. Das löst das Problem doch zur allgemeinen Zufriedenheit, oder?«
Conor stand vor mir, wo einen Augenblick vorher noch niemand gewesen war.
»Jawohl, Herr.«
Die Begleitung eines Erzdruiden garantierte anscheinend ausreichende Sicherheit. Die Soldaten traten beiseite und ließen uns durch. Wir gingen schweigend den Weg entlang, der unter den Wipfeln der kahlen Bäume hindurchführte. Unter unseren Füßen waren die abgefallenen Blätter von Eichen und Eschen, Buchen und Birken zu einem dichten, dunklen Gewebe von feuchten Fragmenten verrottet, in dem seltsame Pilze wuchsen und kleine Geschöpfe umherhuschten. Ich zog das Tuch fester um mich.
»Du hast bei diesem Spaziergang etwas Bestimmtes vor.« Das war eher eine Aussage als eine Frage. »Und du würdest lieber allein sein. Aber wie du siehst, ist das nicht möglich. Die Tage, an denen die Kinder von Sevenwaters frei und ohne Angst im Wald umherspazieren konnten, sind vorüber. Hier hat sich viel verändert.«
Ich nickte.
»Ich werde mich nicht einmischen, Fainne. Es ist klug von meinem Neffen, dafür zu sorgen, dass nicht jeder einfach in den Wald gehen kann. Wir brauchen bis zum Sommer absolute Geheimhaltung. Ich nehme an, du verstehst das.«
»Und außerdem«, sagte ich, »hat man mir erzählt, dass auch der Wald selbst nicht immer wohlwollend ist; Fremde sind hier nicht immer sicher. Muirrin sagt, der Wald beschützt die Seinen.«
Eine Weile gingen wir schweigend unter den Bäumen weiter.
»Das stimmt«, sagte Conor schließlich, »aber das sollte dich nicht beunruhigen. Immerhin bist du eine von uns.«
Ich verkniff mir eine verbitterte Antwort. Glaubst du, ich werde diese Lüge schlucken, wie es mein Vater getan hat? »Dennoch«, sagte ich recht wahrheitsgemäß, »ich bin nicht daran gewöhnt, von so vielen Bäumen umgeben zu sein. Sie machen mich – unruhig.«
»In diesem Fall ist ein Druide vielleicht der beste Begleiter.«
Ich antwortete nicht, und wir gingen schweigend weiter, bis wir zu einer Lichtung inmitten kahler Ebereschen kamen, an denen hier und da immer noch die letzten verschrumpelten Beeren hingen. Auf der offenen Fläche befand sich ein riesiger, flacher Stein, der von Moos überwachsen war. Eine Ruhe hing über diesem Ort, die ihn deutlich von anderen unterschied. Die einzigen Geräusche waren hier und da ein Vogelruf hoch über uns. »Dieser Ort ist angemessen«, sagte Conor. »Ich werde eine Weile meditieren, denn auch ich bin hin und wieder froh, aus all dieser Geschäftigkeit herauszukommen. Du solltest tun, was du möchtest. Wir haben es nicht eilig.«
Er ließ sich in seinem fließenden weißen Gewand auf dem Stein nieder, sein Rücken so gerade wie der eines kleinen Kindes.
Er schloss die Augen.
Mir blieb nichts anderes übrig, als mich selbst hinzusetzen, so weit von ihm entfernt, wie der Stein es erlaubte, und das Gleiche zu tun. Ich kannte mich mit Magie und Trance und den Mächten der Anderwelt gut genug aus, um zu begreifen, dass man nicht einfach losziehen und erwarten konnte, dass sie schon bequem auf einen warteten. Zunächst war es wichtig, ruhig zu werden, die Sinne zu verlangsamen, sich auf ein Symbol oder einen vertrauten Teil der Litanei zu konzentrieren und sich Zeit zu lassen. Selbst dann erreichte man vielleicht nicht, was man erwartete. Es half, wenn man sich an einem geeigneten Ort befand, und es war erheblich einfacher, wenn es keine Ablenkung gab. Die höher gelegenen Simse der Honigwabe waren zum Beispiel gut dafür geeignet. Das Tosen des Meeres und das Schreien der Möwen verwoben sich zu einem zeitlosen, einsamen Frieden. Die kleine Höhle drunten unter den Felsen, wo Meer und Erde und Licht einander begegneten, sich berührten und ihr Gleichgewicht immer wieder verlagerten, das war die beste Stelle von allen. Ich sehnte mich nach diesem wässrig blauen Schatten und dem leisen Plätschern der Wellen am hellen Sand. An diesem Ort fand mein Herz Ruhe. Aber Kerry
Weitere Kostenlose Bücher