Das Kind der Stürme
Hecke war nah, und dann würden sie mich sehen, Zauber oder nicht. Ich war noch nicht geübt genug, um mich vollkommen unsichtbar zu machen.
»Mach dir wegen des Mädchens keine Gedanken. Sie ist ein gutes Mädchen, da bin ich sicher. Ein wenig Magie, ein paar besondere Fähigkeiten, wen stört das schon? Sieh dir nur Liadan an.«
Conor lachte, aber es lag keine Freude in diesem Lachen. »Du hast Unrecht. Dieses Mädchen ist wahrscheinlich so mächtig, wie ihr Vater es war. Ich sehe es ihr an, ich spüre es jedes Mal, wenn ich in ihre Nähe komme. Solche Kraft bei einem so jungen Geschöpf, das über kein angemessenes Urteilsvermögen verfügt, könnte für uns vernichtend sein. Und eines weiß ich sicher: Es wäre mir erheblich lieber zu wissen, dass eine Zauberin von solchen Talenten meine Verbündete ist und nicht meine Feindin.«
Sie gingen weiter, und ich blieb zurück. Conor war ein Druide; es war also nicht überraschend, dass er meine Fähigkeiten gespürt hatte und mir nicht traute. Wenn ich nur wirklich so mächtig wäre, wie er annahm! Dann wäre ich vielleicht stärker als Großmutter und könnte ihren Auftrag ablehnen und meinen Vater immer noch irgendwie beschützen. Aber Conor irrte sich. Meine eigenen Fähigkeiten waren im Vergleich mit denen von Großmutter jämmerlich. Ich zweifelte nicht daran, dass es Vater und mich das Leben kosten würde, wenn ich mich ihr widersetzte. Irgendwo im Hinterkopf waren ihre Worte eingebrannt: Es würde nicht viele Fehler deinerseits brauchen, um ihn wirklich sehr krank zu machen, beinahe so sehr, dass er nicht mehr zu retten ist. Sie hatte gesagt, sie würde es wissen, wenn ich ihre Befehle nicht ausführte, und ich wäre dumm gewesen, das nicht zu beachten. Ich musste Fortschritte machen, oder mein Vater würde leiden.
Ich wählte einen wolkenlosen Tag, einen Tag, an dem Tante Aisling mir ausnahmsweise nichts zu tun gegeben hatte. Nun war der Zeitpunkt gekommen. Es gab nichts, wovor ich mich fürchten musste, sagte ich mir, als ich meine Stiefel anzog und das Schultertuch vom Haken hinter der Tür nahm. Überhaupt nichts. Ich musste nur einen Schritt nach dem anderen machen. Der Schritt für heute bestand darin, mich diesen Waldschatten zu stellen und mich selbst davon zu überzeugen, dass ich mir keine Sorgen zu machen brauchte. Das waren zweifellos alles nur Tricks der Túatha Dé, die versuchten, die Menschen auf diese Weise zu verschrecken und davon abzuhalten, unbequeme Fragen zu stellen. Großmutter hatte immer davon gesprochen, wie arrogant das Feenvolk war. Sie hielten sich für besser als alle anderen. Man brauchte nur daran zu denken, wie sie ihre eigene Tochter ausgestoßen hatten, ohne einen Augenblick daran zu denken, wie es sich anfühlte, wenn man verflucht wurde, ebenso wie sämtliche Nachkommen. Es war Zeit, dass jemand es ihnen zeigte. Aber wie bei allem, was ich tat, sollte das vorsichtig geschehen. Ich musste geheim halten, um was es mir ging, oder ich würde versagen.
Ich wickelte das Wolltuch fest um mich. Riona sah mich an. Nein, schien sie zu sagen. Das wird nicht ausreichen, und das weißt du auch. Ich sah sie mürrisch an, und dann ging ich zu der kleinen Truhe und holte das wunderschöne Seidentuch heraus, das mit den winzigen, bunten Geschöpfen darauf und den Fransen, die im Licht tanzten wie ein Wasserfall, und band es um meine Schultern.
»Zufrieden?«, murmelte ich. Riona antwortete nicht; schließlich konnte sie das nicht. Aber ihre Miene schien zu sagen: Schon besser. Halte dich lieber an das, was dir noch geblieben ist; es ist wenig genug. Ich starrte sie an und fragte mich, woher dieser Gedanke gekommen war und was er bedeuten sollte. Dann hob ich sie hoch, steckte sie in die kleine Truhe und machte den Deckel zu.
Es war Mittag, und immer noch knirschte der Frost unter meinen Stiefeln. Auf dem See schwammen ein paar Enten und suchten nach Futter. Rauch von den Feuern in den Hütten hing in der Luft, Holz war ordentlich neben den niedrigen Eingängen aufgestapelt. Ich ging rasch durch das Dorf und an den Steinmauern der Weiden vorbei zum Waldrand. Und dort am Weg standen zwei der Soldaten meines Onkels, lehnten sich auf ihre Stäbe und sahen mir entgegen.
Ich bedachte sie mit meinem besten Lächeln. »Einen schönen guten Tag.«
»Guten Tag, junge Dame. Ihr solltet lieber nicht allein weitergehen.«
»Ich will auch nicht weit gehen, nur noch ein wenig am Seeufer entlang. Es wird nicht lange dauern.«
»Ihr müsst Euch
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