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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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er stand und mit ausgebreiteten Armen seine abgewiesene Gabe von neuem darbot, und es verzehrte ihn vollständig, äscherte ihn ein. Einen schrecklichen Augenblick lang sah Kim, wie sein Körper sich in der durchscheinenden Flamme wand, dann war er verschwunden. Nichts blieb von ihm übrig, nicht einmal der Kristallkessel, den er angefertigt hatte. Das bläulich-weiße Feuer schwand hinweg, und dann kniete Matt Sören allein am Seeufer.
    Er streckte den Arm aus und ergriff den Kristalldrachen neben sich, den er vor vierzig Jahren gefertigt hatte, als er vom See zum König gemacht worden war. Erst jetzt erkannte sie es, während Loren es vom ersten Augenblick an verstanden hatte. Matt erhob sich langsam und stand nun vor dem Drachen des Calor Diman. Kim schien es, als läge ein farbiges Strahlen in der Luft.
    Dann sprach der Drache: »Du hättest nicht weggehen sollen«, bedauerte er in uraltem Kummer.
    Es war eine so tiefe Traurigkeit, die auf diesen wilden Ausbruch magischer Kraft folgte. Matt senkte seinen Kopf.
    »In jener Nacht hatte ich deine Gabe angenommen«, fuhr der Drache in einer Stimme fort, die wie der Bergwind kalt, klar und einsam klang. »Ich habe sie angenommen wegen des Mutes, der unter dem Stolz deiner Gabe lag. Ich habe dich zum König unter Banir Lök gemacht. Du hättest nicht weggehen sollen.«
    Matt blickte hinauf und ließ zu, dass das Gewicht des kristallenen Blickes des Drachen in ihn eindrang. Noch immer verharrte er in Schweigen. Kim bemerkte, dass Loren neben ihr leise weinte.
    »Trotzdem«, hub der Drache vom See von neuem an, und in seiner Stimme klang ein neuer Ton, »trotzdem, Matt Sören, hast du dich verändert, seit du von hier weggegangen bist. Du hast ein Auge in den Kriegen verloren, die du nicht wirklich für unser Volk gefochten hast, aber mit dieser zweiten Gabe hast du heute Nacht gezeigt, dass du mit einem Auge noch tiefer in mein Wasser blicken kannst, als andere der Zwergenkönige dies je vermochten.«
    Kimberly biss sich auf die Lippe. Sie ließ ihre Hand in Lorens Hand gleiten, in ihrem Herzen war ein Strahlen.
    »Du hättest nicht weggehen sollen«, hörte sie den Drachen sagen, »aber angesichts dessen, was du heute Nacht getan hast, will ich annehmen, dass ein Teil von dir niemals wirklich weggegangen ist. Sei willkommen, Matt Sören, und höre mich: Ich ernenne dich zum wirklichsten von allen Königen, die jemals unter Banir Lök regiert haben.«
    Licht, soviel Licht: Es erschien eine rosafarbige Andeutung der heftigsten, tiefrote Beleuchtung.
    »O Kim, nein!« schrie Loren plötzlich mit halberstickter, verzweifelter Stimme. »Nicht das, bitte, nicht das!«
    Im Kielwasser des Wissens, des bitteren, bittersten und immer wiederkehrenden Verständnisses brannte das Licht zu Asche. Natürlich war Licht auf der Wiese. Sie war ja hier. Und der Baelrath flammte in wildem Drängen auf ihrer Hand.
    Matt fuhr auf Lorens Aufschrei hin herum. Er blickte auf den Ring, den er Kim gerade erst zurückgegeben hatte, und sie las in seinem Gesicht die grausamste Angst, und so verwandelte sich dieser Augenblick des höchsten Triumphes, der Augenblick seiner Rückkehr in etwas, das schrecklich, unaussprechlich schrecklich war.
    Sie hätte alles darum gegeben, jetzt nicht hier zu sein, nicht zu verstehen, was dieses gebieterische Flammen bedeutete. Aber sie war hier, und sie wusste es. Und sie war nicht vor dem Drachen niedergekniet, weil sie sich irgendwo in ihrem Inneren bewusst gewesen war, was nun folgen würde.
    Und es war geschehen. Wieder trug sie den Kriegsstein, und er leuchtete, um in den Krieg zu rufen, um den Kristalldrachen aus seinem Bergkessel zu zwingen. Kim hatte überhaupt keine Illusionen, und der Anblick von Matts schreckerfülltem Antlitz hätte ihr auch alle geraubt, die ihr noch geblieben waren. Der Drache konnte den See nicht verlassen, nicht wenn er blieb, was er immer gewesen war: ein uralter Wächter, der Schlüssel zu der Seele, des Herzens tiefes Symbol dessen, was die Zwerge waren. Was sie sich jetzt zu tun anschickte, würde das Volk der Zwillingsberge ebenso und noch viel mehr erschüttern und zerschmettern als die Paraiko in Kath Meigol.
    Die kristallene Kraft des Calor Diman, die Maugrims Todesregen überdauert hatte, würde dem Feuer, das sie trug, nicht widerstehen können. Nichts konnte ihm widerstehen. Matt drehte sich weg. Loren gab ihre Hand frei.
    Ich habe keine Wahl! schrie sie. Sie schrie es in ihrem Herzen, nicht laut. Sie wusste, warum der

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