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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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die Kraft des Calor Diman. Dies war das Herz, die Seele und das Geheimnis der Zwerge, das sie und Loren nun hatten schauen dürfen. Sie war sich jedoch bitter bewusst, dass dies nur umso mehr ihren Tod bedeuten würde, wenn Kaen in den nun folgenden Geschehnissen siegen würde.
    Sie verbannte diesen Gedanken aus ihrem Kopf. Rings um sie her waren alle einschließlich Loren niedergekniet. Sie nicht. Ohne den Impuls, der sie auf den Beinen hielt … es war Stolz, aber mehr als das … begegnete sie den leuchtenden Augen des Kristalldrachens, als er sie anblickte, und sie begegnete ihnen mit Achtung, aber aus gleicher Warte.
    Trotzdem war es schwer. Der Drache war unvorstellbar schön. Dieses Geschöpf der Bergwiese und der eisigen Tiefen des Bergwassers war im Sternenlicht fast durchscheinend, es glitzerte und erhob sich aus den aufgewühlten Wogen hoch über die beiden knienden Gestalten der Zwerge an den Ufern des Calor Diman.
    Dann breitete der Drache seine Schwingen aus, und Kimberly schrie vor Staunen und Bewunderung auf, denn die Schwingen des Drachens blitzten und strahlten in einer Myriade von Farben wie geschliffene Steine in unendlicher Vielfalt, es war ein Lichterspiel in diesem nächtlichen Bergkessel. Fast wäre sie auf die Knie gesunken, aber wieder hielt sie irgend etwas auf den Beinen, sie beobachtete, ihr Herz tat weh.
    Der Drachen flog nicht, sondern schwebte halb über dem Wasser, halb im Wasser. Dann öffnete er sein Maul, und es brachen Flammen daraus hervor, Flammen, die wie Fackeln an den Wänden innerhalb des Berges ohne Rauch brannten. Es waren weißlichblaue Flammen, durch die man dennoch die Sterne sehen konnte. Das Feuer schwand hinweg, die Schwingen des Drachen waren ruhig. Ein kaltes und absolutes Schweigen, ein Schweigen, wie es vielleicht über dem Anfang der Zeit selbst gelegen haben konnte, erfüllte die Wiese. Kim sah, wie sich eine der Klauen des Drachen langsam glitzernd aus dem Wasser löste. Und in dieser Klaue steckte ein Gegenstand, den er dann plötzlich mit einer Art verächtlicher Nachlässigkeit auf das Gras am See stieß. Sie erkannte, was es war.
    »Nein«, stöhnte sie, und der Ausruf entrang sich ihr wie Fleisch, das aus der Wunde gerissen wird. Weggeworfen auf dem Gras lag blinkend eine Miniaturausgabe eines kristallenen Drachen.
    »Warte!« flüsterte Loren scharf und stand auf. Er berührte ihre Hand. »Schau.«
    Und sie sah, wie der Drache des Calor Diman seine andere Klaue mit einem zweiten Gegenstand darinnen hob. Und dies war der kristallene Zauberkessel, der so schön funkelte und blitzte, und auch diesen Gegenstand warf der Drache weg, er blieb funkelnd auf dem blaugrünen Gras liegen.
    Sie verstand nicht. Sie blickte auf Loren. In seinen Augen stand ein merkwürdiges Leuchten.
    Er flüsterte ihr zu: »Schau noch mal hin, Kim, schau genau hin.«
    Sie wandte sich wieder zurück. Matt und Kaen knieten am See, der Drache leuchtete über ihnen, sie sahen Sterne, Wogen, die in den See zurückglitten, dunkle Bergklüfte. Sie sah einen kristallenen Kessel und einen kleinen kristallgeschnittenen Drachen nebeneinander auf dem Gras liegen.
    Und dann erkannte sie, dass der Drache, der dort lag, ein anderer war, als der, den Matt zuvor dem See geopfert hatte. Hoffnung flammte in ihr auf wie das bläulich-weiße Feuer des Drachens, und in diesem Augenblick stieg noch ein anderes Wesen aus dem Calor Diman. Es war winzig klein, explodierte aus dem Wasser und schlug wild wütend mit seinen Schwingen, die es in der Luft hielten. Dieses Wesen schien jetzt strahlender als jemals zuvor, seine Augen blitzten in der Nacht, sie waren nicht mehr dunkel und leblos.
    Es war die Gabe, die Matt aus seinem Herzen geschaffen hatte, und der durch den See Leben verliehen worden war. Der See hatte sein Opfer angenommen.
    In die Anwesenden kam hastige Bewegung. Kaen kroch auf den Knien nach vorne, nahm seinen Kessel wieder an sich, stand auf und hielt ihn beschwörend vor sich hin. »Nein«, flehte er. »Warte!«
    Mehr Zeit blieb ihm nicht. Die Zeit ging für ihn zu Ende. An diesem hochgelegenen Ort der Schönheit, der so viel mehr war, manifestierte sich nun einen Augenblick lang die ihm innewohnende Kraft … aber dieser Augenblick war genug. Der Drache des Sees, der Hüter der Zwerge, öffnete sein Maul und ein zweites Mal schossen die Flammen daraus hervor. Aber diesmal nicht in die Bergluft hinaus, nicht als Warnung oder Machtdemonstration … das Drachenfeuer traf Kaen von Banir Lök, wo

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