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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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gefährlich. Er war das Herzblut der Zwerge, ihre Macht, und Matt Sören, der durch eine Nacht in dieser hochgelegenen Wiese zum König geworden war, wusste das besser als irgend jemand anders, und seine kristallene Gabe für den See bezeugte es.
    Keiner von ihnen dort oben konnte es wissen, und der einzige, der es ihnen vielleicht hätte sagen können, war in Gwen Ystrat gestorben, um den Winter zu beenden, aber selbst jetzt lag eine uralte zerbrochene Steinschale neben einer Spalte in Danas Höhle in Dun Maura. Und diese Schale verkörperte dasselbe nicht in Gedanken zu fassende Bewusstsein des Wesens einer uralten Macht wie Matt Sörens Drachen.
    »Du hast das schon einmal getan«, bemerkte Niach ruhig. »Vor vierzig Jahren.«
    »Du erinnerst dich?« fragte Matt.
    »Ja, aber es sah anders aus.«
    »Damals war ich noch jung. Ich dachte, ich müsste mich bemühen, in Kristall die Wahrheit dessen zum Ausdruck zu bringen, was ich gestaltete. Aber jetzt bin ich älter, und einiges habe ich gelernt. Ich bin froh über die Möglichkeit, die Dinge jetzt vor dem Ende wieder zurechtzurücken.«
    In Niachs und auch in Ingens Augen zeigte sich widerwillige Achtung. Lorens Antlitz aber drückte etwas anderes aus: eine Mischung aus dem Stolz eines Vaters, eines Bruders und eines Sohnes. »Also gut«, entschied Niach und reckte sich, so gut es ihm sein Alter erlaubte. »Wir haben eure beiden Kunstwerke gesehen. Nehmt sie jetzt und werft sie in den See. Und möge die Königin des Wassers uns weise leiten.«
    Nun nahm Matt Sören seinen Drachen, Kaen seinen glänzenden Kristallkessel, und Seite an Seite entfernten sie sich von den sechs anderen, und im Schweigen dieser Nacht unter den Sternen … nur der Mond war noch nicht aufgegangen … erreichten sie das Ufer des Calor Diman und blieben dort stehen.
    Die Sterne glitzerten am Himmel und spiegelten sich im See, und einen Augenblick später waren zwei weitere leuchtende Gegenstände über dem Wasser, denn beide Zwerge, die sich nun dem Urteil unterwarfen, schleuderten ihre Kristalle auf den See hinaus. Sie trafen klatschend auf dem Wasser auf, dass das Echo in der brütenden Stille widerhallte, und verschwanden in der Tiefe des Calor Diman.
    Kim sah erschauernd, dass auf dem Wasser keine gekräuselten Wellen erschienen, welche die Stelle, wo sie niedergingen, bezeichnet hätten.
    Dann kam ein Warten, eine Zeit außerhalb der Zeit, die so sehr mit dem Widerhall dieses Ortes geladen war, dass sie ohne Ende immer weiterzugehen schien, ja, dass sie existiert zu haben schien, seit Fionavar auf dem Webstuhl gewoben ward. Trotz all ihrer Träume und seherischen Gaben hatte Kimberly keine Ahnung, was nun folgen würde, in welcher Form die Antwort des Sees ersichtlich würde. Sie blickte unverwandt auf die beiden Zwerge am Wasserrand, forschte in ihrem eigenen Innern, fand ihre Zwillingsseele, suchte nach einer Antwort für die Frage, die sie selbst nicht beantworten konnte. Aber auch jener Teil von ihr, der Ysanne war, schien dazu nicht in der Lage. Nicht einmal die Träume der alten Seherin oder ihr eigener weiter Wissensspeicher vermochte sich damit zu messen: Die Zwerge hatten ihr Geheimnis viel zu gut behütet.
    Und noch während Kim so dachte, sah sie plötzlich, dass der Calor Diman sich bewegte.
    Weiß gekrönte Wellen bildeten sich in der Mitte des Sees, und gleichzeitig erklang ein hohes, schrilles Geräusch, ein klagender, gequälter Schrei, wie sie ihn niemals zuvor gehört hatten. Loren, der neben ihr stand, murmelte irgend etwas, das ein Gebet sein musste. Die kleinen Gischtwellen wurden zu größeren Wogen, der klagende Ton wurde höher und höher, auch die Wellen türmten sich immer mehr und brausten mit einem Male riesig aus dem aufgewühlten Herzen des Wassers zum Strand, als ob Calor Diman sein Zentrum entleere.
    Oder daraus emporsteige.
    Und in diesem Augenblick kam der Kristalldrache.
    Und jetzt brach in Kimberly das Verständnis durch und damit auch ein Gefühl, wie sie es schon so viele Male hinterher gehabt hatte, dass sie es doch schließlich hätte wissen können. Hatte sie nicht die ungeheuerlich große Skulptur eines Drachens gesehen, der den Eingang zu Seithrs Halle beherrschte. Hatte sie nicht Matts Kristallbild gesehen und gehört, was er und Niach zueinander gesagt hatten, hatte sie nicht gewusst, dass an diesem Ort mehr als Schönheit war … sie hatte doch so eine uralte tiefe Magie wahrgenommen.
    Und das war es. Dieser kristallen schimmernde Drachen war

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