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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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der Weber selbst die Lios Alfar oder die Zwerge in das Gewirk eingesponnen hatte, und von Anfang an waren der Blutfluch und das Kanior, das ihn erhielt, ein Teil ihrer selbst gewesen. Es begann mit einem tiefen Summen, das fast unter der Hörschwelle lag. Alle Riesen, die um Ruana versammelt waren, stimmten ein. Langsam ließ er seine Hände sinken und bedeutete Kim, nach vorne und neben ihn zu treten. Als sie es tat, sah sie, dass die Riesen in dem Kreis, der nun Dalreidan, Faebur und Brock umgab, auch für diese drei Platz gemacht hatten. Tabor und sein Flügelwesen blieben außerhalb des Kreises. Ruana sank auf seine Knie nieder und bedeutete Kim, seinem Beispiel zu folgen. Er faltete die Hände in seinem Schoß, und dann war er plötzlich in ihrem Bewusstsein.
    Ich will die Toten tragen, hörte sie ihn in sich sagen. Wen möchtest du mir geben?
    Ihr Puls wurde langsamer, verlangsamt durch die tiefen Töne, die sie umgaben. Ihre Hände zitterten ein wenig in ihrem Schoß, sie krampfte sie fest zusammen und gab ihm Kevin und dann Ysanne: wer sie waren und was sie getan hatten.
    Ruanas Gesichtsausdruck veränderte sich nicht, er bewegte sich nicht, aber seine Augen weiteten sich ein wenig, als er das aufnahm, was sie ihm übermittelte, und dann sagte er in ihrem Bewusstsein^ ich habe sie, und sie sind würdig. Trauere mit mir.
    Dann erhob er seine Stimme zur Klage.
    Kim konnte diesen Augenblick nie vergessen. Bei allem, was noch folgte, blieb die Erinnerung an das Kanior klar in ihr bestehen, die Erinnerung an den Kummer und die Reinigung vom Kummer.
    Ich will die Toten tragen, hatte Ruana gesagt, und nun begann er damit. Mit dem vielfältig strukturierten Reichtum seiner Stimme nahm er sie beide, Kevin und dann Ysanne, und zog sie in den Kreis, um sie zu beklagen. Als das Summen stärker wurde, schlang sich sein eigenes Singen hindurch und herum, es war ein Faden auf einem Klanggewebe, Namen wurden der Bergnacht angeboten und die Bilder all jener Paraiko in dem Kreis, die in den Höhlen gestorben waren: Taieri, Ciroa, Hilewai, Cailla und mehr, so viel mehr. Sie alle näherten sich, um dort versammelt zu sein, wo Kim kniete, um durch die gewonnene Kraft des Gesanges dort anwesend zu sein. Kim weinte, aber die Tränen ihres Herzens fielen lautlos, damit nichts das Werk Ruanas stören sollte.
    Und in diesem Augenblick ging er sogar noch weiter: Er forderte mehr. Seine Stimme wurde noch kräftiger. Er reichte zurück durch die zerzausten Schlünde der Jahre und begann, die Paraiko vom Anbeginn ihrer Tage an zu sammeln, sie alle, die in tiefem Frieden ohne Blutvergießen lebten und gelebt hatten und die in der Fülle ihrer Zeit starben, um betrauert zu werden.
    Und auch jetzt wieder betrauert zu werden, als Ruana von Kath Meigol die Reichweite seiner mächtigen Seele ausbreitete, um den Verlust der vielen Toten inmitten des Gemetzels und in den Feuern dieser Nacht zu umfangen. Kim kniete ganz dicht neben ihm, und so beobachtete sie ihn durch ihre Tränen. Sie beobachtete, wie er versuchte, einen Trost für den Kummer zu bilden, sich darüber zu erheben, was ihnen angetan worden war, und er tat es mit der ganzen majestätischen Größe, die den Paraiko zu eigen war. Es war das Kanior der Kaniors, eine Klage für jeden einzelnen der Toten.
    Einer nach dem anderen kamen sie heran, die Geister all dieser Paraiko in all den Jahren, sie drängten sich in diesem weiten Kreis der Klage, in dieser Nacht des tiefsten Kummers, als dem Volk das tiefste Leid angetan wurde. Kim verstand nun die Grundlage all der Geistergeschichten von Kath Meigol, denn es gab tatsächlich Geister an diesem Ort, wenn die Kaniorriten vollzogen wurden. Und in dieser Nacht wurde der Bergpaß wirklich und wahrhaftig ein Reich der Toten. Immer mehr von ihnen kamen, und Ruana wuchs immer mehr, zwang seinen Geist, so groß zu werden, dass er sie alle erreichte, sie alle durch seinen Gesang trug.
    Dann wurde seine Stimme noch tiefer, und eine neue Note flocht sich ein, und nun sah Kim, dass einer in den Kreis getreten war, der noch größer als jeder andere der Riesen dort war. Seine Augen strahlten selbst von jenseits der Welt heller als alle anderen, und aus Ruanas Gesang wusste sie, dass er einer war, der sich vergangen hatte, indem er Owein band und dann auch noch den Kessel schuf. Es war Connla, der von Kath Meigol allein in freiwilliger Verbannung von seinem Volk weggegangen war … und nun in dieser Nacht zurückgerufen wurde, als sie alle gerufen und

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