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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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kurzen Blick hinüber, gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Imrait-Nimphais hochstieg und zum letzten der Feuer hinüberblitzte.
    Sorgfältig bahnte sie sich ihren Weg in all dem Gemetzel und um die verzehrende Hitze der beiden Feuer, dann hielt sie vor der größeren der beiden Höhlen inne.
    Hier war sie nun, und sie hatte getan, wozu sie gekommen war, aber sie war verletzt und müde, es war keine Zeit, sich zu freuen. Nicht angesichts dessen, was geschehen war, nicht angesichts dieser beiden geschwärzten Körper auf dem Scheiterhaufen. Sie blickte auf den Ring an ihrem Finger hinab: Der Baelrath lag stumm und ruhig. Und trotzdem war es noch nicht zu Ende. In ihrem Traum hatte sie es auf diesem Plateau brennen gesehen. Im Gewebe dieser Nacht musste also noch mehr geschehen. Sie wusste nicht, was, aber die Wirkungen der Kraft waren noch nicht zu Ende.
    »Ruana«, schrie sie, »hier ist die Seherin von Brennin. Ich bin gekommen, um das Rettungslied zu singen, und Ihr seid frei.«
    Sie wartete, und die drei Männer mit ihr. Nur das Feuer knisterte. Ein Windstoß blies eine Haarsträhne in ihre Augen, sie zog sie zurück. Dann bemerkte sie, dass der Wind von Imrait-Nimphais verursacht wurde: Sie kam hernieder, und Tabor brachte sie hinter ihr zum Stehen. Kim blickte zurück und sah das dunkle Blut auf dem Horn. Dann kamen Laute aus der Höhle, und sie wandte sich wieder nach vorn.
    Aus der Schwärze des Torbogens und durch den aufsteigenden Rauch erschienen die Paraiko. Zuerst waren es nur zwei, der eine trug den Körper des anderen in seinen Armen. Die Gestalt, die aus dem Rauch hervorkam und nun vor ihnen stand, war zweimal so groß wie der langbeinige Faebur von Eridu. Das Haar dieses Mannes war ebenso weiß wie Kimberlys Haar, weiß war auch sein Bart. Auch sein Kleid war einstmals weiß gewesen, aber nun war es durch Rauch, Staub und die Flecken der Krankheit beschmutzt. Trotzdem war etwas Feierliches und Majestätisches an ihm, das die Zeit und die grauenvolle Szene, die sie umgab, überstrahlte. Als er über das Plateau hinsah, las Kim in seinen Augen einen uralten, unaussprechlichen Schmerz. Dagegen erschien ihr ihr eigener Kummer unbedeutend und vergänglich. »Wir danken euch«, wandte er sich ihr zu. Die Stimme war leise, was man von einer so großen Gestalt gar nicht erwartet hätte. »Ich bin Ruana. Wenn diejenigen von uns, die noch am Leben sind, sich versammelt haben, müssen wir den Toten das Kanior abstatten. Wenn ihr wollt, könnt ihr einen von euch wählen, der mit uns um Vergebung für euch alle wegen der Bluttaten dieser Nacht beten könnte.«
    »Vergebung?« grollte Brock von Banir Tal. »Wir haben euer Leben gerettet.«
    »Trotzdem«, erwiderte Ruana. Er stolperte ein wenig, als er sprach. Dalreidan und Faebur sprangen nach vorn, um ihm mit seiner Last zu helfen. »Halt!« schrie Ruana. »Werft eure Waffen weg, ihr seid in Gefahr.«
    Dalreidan hatte verstanden, er ließ seine Pfeile und sein Schwert fallen, Faebur folgte seinem Beispiel. Dann traten sie wieder nach vorne und halfen Ruana, den anderen Riesen langsam zu Boden gleiten zu lassen, was ihre ganzen Körperkräfte beanspruchte.
    Nun kamen noch mehr heran: aus Ruanas Höhle zwei Frauen, die einen Mann zwischen sich stützten, insgesamt sechs aus der anderen Höhle. Sobald sie die Rauchschwaden hinter sich hatten, sanken sie zu Boden. Als Kim nach Osten blickte, sah sie, wie die ersten von jenseits des Bergrückens auf das Plateau zustrebten. Sie bewegten sich sehr langsam, viele wurden gestützt, und einige wurden von den anderen getragen. Keiner von ihnen sprach ein Wort.
    »Ihr braucht Nahrung«, sagte sie zu Ruana. »Wie können wir euch helfen?«
    Er schüttelte den Kopf. »Später. Zuerst muss das Kanior stattfinden, da es so lange aufgeschoben wurde. Sobald wir alle zusammen sind, wollen wir die Riten vollziehen.«
    Es erschienen aus dem Nordosten vom vierten Feuer die letzten von ihnen, sie bewegten sich mit derselben langsamen, kraftsparenden Vorsicht und in vollkommenem Schweigen. Wie Ruana waren sie alle weiß gekleidet. Er war weder der älteste noch der größte von ihnen, aber er war der einzige, der gesprochen hatte, und die anderen versammelten sich um den Platz, auf dem er stand.
    »Ich bin nicht der Führer«, erklärte er, als hätte er Kims Gedanken gelesen. »Seit Connla den Kessel geschaffen und damit seine Grenzen überschritten hat, haben wir keinen Führer mehr gehabt. Ich will jedoch das Kanior singen und die

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