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Das Kind des Schattens

Titel: Das Kind des Schattens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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die Höhe, eine Geste, die sie von seinem Bruder kannte. »Woher wusstest du ihren Namen?« fragte er wegen des nahen Gelächters leise, aber herausfordernd. Sie hörte sowohl den Ärger als auch die Angst. Sie bekannte sich zu ihrer eigenen Macht: »Du reitest auf dem Kind von Pendarans Hain und dem wandernden Mond«, sagte sie. »Ich bin eine Seherin, und ich trage das wandernde Feuer. Ich habe ihren Namen im Baelrath gelesen, Tabor.« Sie hatte es auch geträumt, aber das erwähnte sie nicht.
    »Niemand anders darf ihren Namen kennen«, entgegnete er, »gar niemand.«
    »Das stimmt nicht«, widersprach sie. »Gereint kennt ihn. Die Schamanen wissen immer die toten Namen.«
    »Er ist anders«, beharrte Tabor, ein wenig unsicher.
    »Ich auch«, gab ihm Kim, so sanft sie nur konnte, zu bedenken. Er war sehr jung, und das Geschöpf, auf dem er geflogen war, war sehr verängstigt. Sie verstand, wie sie sich fühlten. Explosionsartig war sie mit ihrem ungestümen Ring in eine private Einheit eingebrochen, die sie beide teilten. Sie hatte Verständnis dafür, aber die Nacht, von der sie geträumt hatte, ging vorüber, und sie wusste nicht, ob ihr Zeit genug bliebe, sie zu besänftigen oder auch nur irgend etwas Passendes zu sagen.
    Tabor setzte sie in Erstaunen. Er war zwar jung, aber er war der Sohn des Aven, und er ritt auf einem Geschenk von Dana. Einfach und ruhig fügte sie hinzu: »Gut. Was müssen wir in Kath Meigol tun?«
    Töten natürlich … und die Folgen tragen. Gab es einen leichten Weg, wie sie es sagen konnte? Sie wusste nicht, wie. Sie berichtete ihnen, wer hier war, was hier geschah, und noch als sie sprach, sah sie, dass die Geflügelte ihren Kopf hob, und dass ihr Horn noch heller zu scheinen begann.
    Dann war sie fertig. Weiter war nichts zu erzählen. Tabor nickte ihr zu, nur einmal. Dann schienen sich er und sein Reittier zu verändern, es hatte den Anschein, als wüchsen sie zusammen. Sie war ihnen nahe, und sie war eine Seherin. Sie fing ein Bruchstück ihrer inneren Rede auf. Nur ein Bruchstück, dann entfernte sie sich mit ihrem Bewusstsein. Meine Helle, hörte sie, und wir müssen töten, und gerade, als sie sich aus ihrem Gespräch zurückzog: … wenn das Ende naht, haben wir nur einander. Dann waren sie wieder in der Luft, und die Schwingen von Danas Geschöpf waren ausgebreitet, zum Töten hell und strahlend blitzte sie auf dem Plateau nieder, und plötzlich lachten die Diener der Finsternis nicht mehr. Kims Gefährten rannten bereits zu ihrem Beobachtungsplatz zurück, und sie folgte ihnen, so schnell sie konnte, stolperte zwischen Felsen und losen Steinen vorwärts.
    Dort angekommen, beobachtete sie, wie verblüffend anmutig der Tod sein konnte. Immer und immer wieder kam Imrait-Nimphais hernieder und erhob sich, das Horn, das nun in eine scharfe Schneide auslief, stach und schlug, bis das Silber so sehr von Blut bedeckt war, dass es sich dem Rest ihres Körpers angeglichen hatte. Einer der Urgach stellte sich ihr entgegen und hielt ein Beidhänderschwert empor. Mit der außergewöhnlichen Geschicklichkeit der Dalrei warf Tabor sein Reittier in vollem Lauf herum, preschte seitlich an ihm vorbei, und die scharfe Schneide des Horns zerschnitt ihm den Kopf. So war es die ganze Zeit. Sie waren elegant, blendend schnell und bis zum äußersten tödlich.
    Und für beide war es vernichtend, das wusste Kim.
    Eine Milliarde von Leiden, und keine Zeit, um sich damit abzugeben. Noch während sie zusah, stieg Imrait-Nimphais wieder empor und flog nach Westen zum nächsten Lagerfeuer. Einer der Svart Alfar war dem Tod entkommen. Rasch erhob er sich und begann nach Westen auf das Plateau zuzulaufen.
    »Der gehört mir«, bemerkte Faebur ruhig. Kim drehte sich um. Sie sah, wie er einen Pfeil zog und einige Worte über seinen langen Schaft flüsterte. Sie beobachtete, wie er ihn einlegte und den Bogen spannte und wie der mondbeschienene Pfeil sich löste, wie er lichtzuckend in die Kehle des rennenden Svart drang und ihn auf der Stelle niedersinken ließ.
    »Für Eridu«, rief Brock von Banir Tal. »Für das Volk des Löwen. Das ist ein Anfang, Faebur.«
    »Ein Anfang«, echote Faebur leise.
    Nichts regte sich mehr auf dem Plateau, nur die Feuer flackerten und knisterten noch immer, das war das einzige Geräusch. Jenseits des Bergrückens ertönte ein jähes Kreischen, aber noch als sie ihren Weg hinunter zu den Höhlen suchten, hörten auch diese Geräusche unvermittelt auf. Instinktiv warf Kim einen

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