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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Sonnenbrille.«
    »War er alt oder jung? Groß oder klein?«
    Sie schloss die Augen. »Ich weiß es nicht. Es war so eine Freude. Ich habe ihn nicht beachtet. Wir fuhren los. Über den Kurfürstendamm. Ich war so aufgeregt. Dann hielt er an. Er sagte, ich
solle auf die andere Straßenseite gehen, da wartet man auf mich. Ich stieg aus und lief los. Bumm.«
    Eine dicke Träne kullerte herunter. »Es ist meine Schuld. Hätte ich besser aufgepasst, ich hätte die Unterschrift und wäre schon längst wieder in Kiew.«
    Ich streichelte ihre Hand.
    »Konntest du etwas an dem Auto erkennen, das dich angefahren hat?«
    »Nein«, schluchzte sie.
    »Es ist gut. Denk nicht mehr dran.«
    »Ich bin so dumm. Ich habe nicht geschaut. Mutter macht sich Sorgen. Der Arzt sagt, ich bin schon fast eine Woche hier.«
    »Das stimmt. Soll ich deine Mutter anrufen? Kannst du mir ihre Adresse geben?«
    Horst kam wieder und rückte beim Hinsetzen den Stuhl näher ans Bett. Milla versuchte es mit einem nicht ganz so distanzierten Lächeln. »Hat der Arzt schon getan. Er war sehr nett. Alle sind sehr nett hier.«
    Ich streichelte ihre Hand.
    Horst nickte eifrig. »Das kann ich nur bestätigen. Und das Essen ist wirklich gut.« Sein Blick streifte die Kochsalzlösung. »Also, zumindest das Essen in der Cafeteria.«
    »Milla«, sagte ich. »Darf ich dein Kreuz sehen?«
    Sie griff sich an den Hals und erschrak.
    »Es ist nicht weg.« Horst zog die Nachttischschublade auf. »Sie haben es hier reingetan.«
    »Darf ich?«
    Milla nickte unsicher. Ich zog die Schublade heraus. Das Kreuz war aus Gold, sehr klein und schlicht, definitiv nichts Wertvolles. Dennoch sah ich es mir genauer an.
    »Ich habe es von meiner Mutter.«
    Ich nickte und legte es wieder zurück. »Wie wichtig ist das Kreuz für dich?«

    »Sehr wichtig«, flüsterte sie. »Herr, du bist unsere Zuflucht für und für. Ehe denn die Berge wurden und die Erde und die Welt geschaffen wurde, bist du, Gott, von Ewigkeit zu Ewigkeit.«
    Sie bekreuzigte sich und sah mich an. Es lag eine Frage in ihrem Blick, die ich nicht beantworten konnte. Sie spürte das und biss sich auf die Lippen. Ich strich ihr sanft über die Wange, aber sie wandte sich ab.
    »Kommst du wieder?«
    »Natürlich.« Ich lächelte ihr aufmunternd zu. »Dieser Arzt, weißt du noch seinen Namen?«
    »Nein.«
    »Dr. Schulze oder so ähnlich. Meier oder Schulze«, antwortete Horst. »Ein Allerweltsname.«
    »Wann war er denn hier?«
    »Gegen elf, schätze ich. Wirklich ein netter Mann. Er will sich um alles kümmern. Und er sagt, wenn wir zusammenhalten, wird uns auch nichts trennen. Sie hat doch solche Angst, wieder zurückgeschickt zu werden, ohne Hochzeit.«
    Milla zog die Augenbrauen zusammen, sagte aber nichts.
    Ich verabredete mit Horst, dass er uns weiterhin auf dem Laufenden halten würde. Dann ging ich ins Schwesternzimmer. Die Rosen waren in diesen zwei Tagen voll aufgeblüht und sahen hinreißend aus.
    »Eine Frage. Ist es möglich, mit Herrn Dr. Meier oder Dr. Schulze zu sprechen?«
    Die Schwester runzelte die Stirn. »Kenne ich nicht. Wer soll das sein?«
    »Der behandelnde Arzt von Frau Tscherednitschenkowa.«
    »Moment.«
    Sie sah auf die Stundenpläne an der Wand. »Das ist Frau Dr. Stubenrauch. Sie ist aber erst gegen vierzehn Uhr wieder da. Sie können gerne so lange auf sie warten.«
    Ich bedankte mich sehr freundlich und verabschiedete mich.
Den ganzen Weg zurück in die Kanzlei ärgerte ich mich über den Vorsprung, den wir ihnen in die Hand gegeben hatten. Sie waren im Besitz von Nataljas Adresse. Ich ahnte, was sie damit vorhatten.
    Als ich in der Dunckerstraße ankam, war es früher Nachmittag. Im Hof trugen mehrere Heranwachsende ein Fußballturnier aus. Kevin brütete in Marie-Luises Büro vor dem Computer und kaute auf einem Stift. Als er mich sah, warf er ihn mit einem Knall auf den Schreibtisch.
    »Es dauert noch. Sie haben alles in einer Zentraldatei. Und an die komme ich so ohne weiteres nicht ran. Wir haben von Wilhelm von Zernikow weder das Geburtsdatum noch irgendeinen näheren Hinweis, seit wann genau er als vermisst galt. Kannst du die Lady nicht mal danach fragen? Es würde vieles vereinfachen.«
    »Ich werde dran denken, wenn ich sie wiedersehe.«
    Ich ging in mein Büro. Der Umschlag lag auf dem Schreibtisch. Persönlich/Vertraulich stand darauf. Ich öffnete ihn.
    Die Gartenparty. Gäste, die fröhlich aus ihren Wagen stiegen. Der Regierende Bürgermeister mit Sigrun. Die Zelte, die

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