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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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in der Mainzer Straße. Ich humpelte die Treppen zu ihr hoch, glühende Kreise tanzten vor meinen Augen. Ich warf mich aufs Sofa. Marie-Luise holte eine Schere und schnitt mein Hosenbein auf.
    »Du musst ins Krankenhaus.«
    »Es ist nur ein Durchschuss«, stöhnte ich. »Wenn ich in die Notaufnahme gehe, haben sie mich sofort.«
    Sie nickte, ging ins Bad und kam mit Verbandsmaterial und einer Flasche Jod zurück.
    »Es wird wehtun.«
    »Das tut es jetzt auch schon.«
    Sie kniete sich nieder und begann, die Wunde zu säubern. Ich biss die Zähne zusammen und fiel fast in Ohnmacht vor Schmerz. Endlich hatte sie ihr Werk vollendet und einen sauberen Verband angelegt.
    »Kannst du dich ausziehen?«
    Ich nickte.
    »Alles, was ich hier habe, ist von ihm. Ich hoffe, das stört dich nicht.«

    Ich schüttelte den Kopf. Sie holte einen Pyjama, der zwanzig Zentimeter zu kurz, in der Taille aber mindestens vier Nummern zu weit war. Wenigstens roch er frisch gewaschen. Ich legte mich wieder hin. Sie breitete eine Decke über mir aus. Dann holte sie für uns beide einen Stolichnaya.
    »Oh Mann. Entführung und Geiselnahme. Das sind mindestens fünf Jahre.«
    »Ich glaube nicht, dass mich jemand erkannt hat. Die Passagiere waren die meiste Zeit am Boden. Der einzige brauchbare Zeuge ist der Kapitän.«
    Ich deutete auf mein lädiertes Gesicht. »Das ist die beste Verkleidung, die es gibt. Sollte ich eines Tages wieder normal aussehen, wird mich keiner mehr erkennen.«
    Sie nickte mir zu. Dann schwiegen wir wieder eine Weile.
    »Diese Männer. Wer waren sie?« Marie-Luise starrte in ihr Glas.
    Ich verlagerte vorsichtig mein Gewicht auf eine Körperstelle, die nicht ganz so schmerzte. »Keine Ahnung«, sagte ich wahrheitsgemäß. Ich war in Sicherheit. Ich wollte nicht mehr nachdenken. Das war zu anstrengend.
    »Wir haben sie unterschätzt«, meinte Marie-Luise. »Wir haben gewusst, dass sie skrupellos sind. Aber das war haarscharf. Sie hätten uns fast gekriegt. Warum? Was ist in diesem Keller? Wir waren so nah dran.«
    »Wir sind nicht die Einzigen, die sich dafür interessiert haben. Hast du den Bagger auf der Wiese bemerkt? Und den Erdaushub? Das waren die Arbeiten, die unterbrochen werden mussten. An der Ostseite des Hauses. Aaron wollte bei seinen ungenehmigten Bauarbeiten von außen an den Keller kommen.«
    »Warum nicht von innen? Das wäre doch einfacher.«
    »Wir müssten an die Akten in der Kanzlei von Zernikow herankommen. Die eingerissene Wand und die plötzliche Vergrößerung des Kellers wäre vermutlich im Falle einer öffentlichen
Nutzung des Gebäudes erklärungsbedürftig. Also haben sie es von außen versucht. Graben, aufstemmen, raus mit dem Zeug, zumachen. Nach mir die Sintflut.«
    »Wer?«, fragte Marie-Luise. »Hast du einen erkannt?«
    Ich hob abwehrend die Hand. »Das waren Profis heute Abend. Vermutlich Albaner.«
    »Du kannst Albanisch?«
    »Nicht direkt«, schwächte ich ihre plötzlich aufflammende Bewunderung ab. »Auf jeden Fall waren es Auftragskiller.«
    »In wessen Auftrag?«
    Wir sahen uns an. »Aaron«, murmelte Marie-Luise. »Abel, Abraham, Aaron. Warum fangen die eigentlich alle mit A an?«
    »A ist für den Erstgeborenen, B für den Zweiten und so weiter.«
    Marie-Luise nickte. »Wie bei Pferden und Hunden.«
    Sie beugte sich vor und zog mir sanft die Decke zurecht. »Aber die töten nur, wenn sie Hunger haben. Was ist so Wertvolles in diesem Keller, dass Menschen dafür töten würden?«
    »Bretter und Kisten«, antwortete ich. »Und sechzig Jahre Staub.«

36
    Ich schwamm, und jemand war hinter mir her. Ich kam immer langsamer vom Fleck, als ob ich in einen See voller Leim gefallen wäre, der mich langsam und unerbittlich nach unten zog. Der Grund des Sees leuchtete golden. Etwas Strahlendes reflektierte das Licht des Mondes. Ich bekam keine Luft mehr und wurde erbarmungslos nach unten gezogen, dem Flirren und Funkeln entgegen. In der Mitte des Lichts strahlte ein Smaragd … schweißgebadet wachte ich auf.
    Es war halb elf. Marie-Luise hatte die Wohnung bereits verlassen
und mir einen Zettel auf den Küchentisch gelegt. Melde dich, wenn du wieder fit bist. Das konnte Monate dauern. Ich rief sie an, nachdem ich geduscht und die Wunde am Bein versorgt hatte.
    »Wie geht es dir?«
    »Gut. Gibt es was Neues?«
    » Milla ist aufgewacht und auf eine normale Station verlegt worden. Horst ist bei ihr und hält ihr die Hand. Sie ist aber noch nicht vernehmungsfähig. Kevin hat über das Rote Kreuz

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