Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
Vom Netzwerk:
meinen Lebensrettern verabschieden konnte. Torsten hatte offensichtlich gerade die veränderte Lage beschrieben, denn das Motorengeräusch der Wasserschutzpolizei wurde lauter. Sie waren jetzt hinter mir her.
    Der Kapitän hämmerte an die Kabinentür. Ich konzentrierte mich aufs Lenken und Gasgeben. Endlich wurde es dunkel. Die Uferbebauung hörte auf. Wald kroch an den See, sumpfiges Schilf. Hier könnte es gehen.

    Ich ließ das Pedal los, und augenblicklich verlor das Schiffchen an Fahrt.
    »Jetzt ist aber endgültig Schluss!«, brüllte der kleine Mann mich an, als ich die Tür öffnete.
    Die Passagiere kauerten immer noch verängstigt in der zerschossenen Innenausstattung.
    »Es tut mir leid«, sagte ich. Dann wandte ich mich an den Kapitän. »Sorgen Sie bitte dafür, dass die Polizei das Motorboot findet. Ich bin nicht wichtig.«
    »Ach ja?« Der Kapitän sah aus, als würde er mich am liebsten an seinem Schiffsmast aufknüpfen. Wenn er denn einen hätte.
    »Ehrensache! Hauen Sie ruhig ab. Ich schicke sie in die andere Richtung.«
    Das war das Mädchen. Sie grinste mich an und zeigte einige entzückende Zahnlücken.
    »Danke«, sagte ich. Dann sprang ich ins Wasser.
    Augenblicklich klapperten mir die Zähne. Ich schwamm, so schnell ich konnte. Nach wenigen Minuten hatte ich das Ufer erreicht. Ich drehte mich um. Das Boot der Wasserschutzpolizei lag neben der Fähre. Es gab Diskussionen. Dann drehte es ab und schoss hinunter Richtung Süden. Gut gemacht, kleines Mädchen.
    Wald, wohin ich blickte. Hustend stand ich auf und schlug mich in die Büsche. Ich lief und lief. Die Bäume standen zu dicht, um den Himmel zu erkennen. Panik kroch in mir hoch. In der Ferne schlug ein Hund an. Endlich erreichte ich eine Art Waldpfad und folgte ihm. Er ging über in einen breiteren Weg, der nach einem Kilometer in eine stockfinstere Straße mündete. Ich entschloss mich, nach links zu laufen. Vermutlich würde ich über einen großen Bogen wieder zurück in die Zivilisation kommen. Die Straße machte einen Knick und führte dann schnurgeradeaus. Der Mond und die Sterne gaben genug Licht, um sie zu erkennen.

    Ich tastete nach meinem Handy und holte es aus der wasserdichten Hülle. Es funktionierte noch. Marie-Luise meldete sich sofort. »Was ist los? Wo steckst du? Ich warte hier seit über einer Stunde!«
    Ich erklärte ihr, was passiert war.
    »Sag das noch mal. Du hast eine BVG-Fähre entführt?«
    »Es ging nicht anders. Ich bin auf der anderen Seite des Sees in der absoluten Einöde. Kannst du mir vielleicht weiterhelfen?«
    Sie ließ sich den Verlauf der Flucht genau beschreiben.
    »Also, theoretisch bist du jetzt in der Nähe der Müggelberge.«
    »Ich sehe nichts. Es ist stockdunkel.«
    »Aber du bist auf einer Straße?«
    Ich sah mich um. »Straße ist übertrieben. Aber ich komme voran.«
    »Wenn du ihr folgst, stößt du irgendwann auf den Müggelheimer Damm. Geh dann links weiter. Ich komme dir entgegen. Versuche, nicht aufzufallen. Wir telefonieren uns zusammen.«
    Das mit dem Nichtauffallen war wohl ein Scherz. Ich war nass und schlammverschmiert. Mein Gesicht sah bestimmt verboten aus. Die Wunde an der Wade schmerzte und puckerte schon jetzt derart, dass mir eine Entzündung sicher war. Ich hinkte weiter und hielt mich am Straßenrand.
    Es dauerte eine halbe Stunde, bis ich tatsächlich eine breitere Straße erreichte. Nur ein paar Meter hinter der Kreuzung stand eine Bushaltestelle. Ich rief Marie-Luise an. »Ich stehe an der Oberförsterei Köpenick. Weißt du, wo das ist?«
    »Direkt am Kuhwall. Du bist nur fünf Minuten vom Müggelsee entfernt. Ich bin gleich bei dir.«
    Ich zog mich ein paar Meter vom Straßenrand zurück, setzte mich auf die Erde und rieb mir die Oberarme. Ich klapperte mit den Zähnen und fror erbärmlich. Dann begann ich zu schwitzen.

    Zwanzig Minuten später rollte ein Wagen langsam die Straße hinunter. An der Bushaltestelle stoppte er. Mein Handy klingelte. Ich stand auf und humpelte zu Marie-Luise.
    Sie griff mir unter die Arme und half mir in das Auto. Dann wendete sie und fuhr los.
    »Du siehst schrecklich aus«, sagte sie. Sie griff nach hinten und holte eine Art Hundedecke nach vorne. »Da.«
    Ich wickelte mich dankbar ein.
    Sie stellte die Heizung an und musterte mich. »Deiner Mutter kannst du so nicht unter die Augen treten. Ich bringe dich besser zu mir.«
    Ich nickte. Mir war abwechselnd zu kalt und zu heiß zum Reden. Dann schlief ich ein.
     
    Marie-Luise weckte mich

Weitere Kostenlose Bücher