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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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aufschieben.
    Mit einem Blick erkannte ich, in welcher Registratur Harry die aktuellen Fälle aufbewahrte. Ich suchte unter »L«. Nichts. Ich warf einen Blick in die Wandschränke. Ich zog einige Aktenordner heraus. Nichts. Es war halb zehn.
    Ich geriet wieder ins Schwitzen. Die Fenster waren geschlossen, und die Hitze des Tages staute sich in den alten, dicken Mauern. Ich gab mir noch genau fünf Minuten.
    Der Schreibtisch. Ich öffnete die oberste Schublade und fand eine Handakte, »v. Lehnsfeld, Grünau«. Heureka.
    Bis der Kopierer warm gelaufen war, würde ich kostbare Zeit verlieren. Außerdem war es zu gefährlich. Also setzte ich mich in den Schreibtischsessel und schlug die Akte auf.

    Aaron von Lehnsfeld hatte versucht, ohne Baugenehmigung einen Erdaushub an der Ostseite des Gebäudes am Langen See vorzunehmen. Angeblich sollte dort eine Garage gebaut werden. Die erste Garage mit Fundament.
    Das war auch einem Kontaktbereichsbeamten aufgefallen, den die plötzliche Bautätigkeit nach jahrelanger Ruhe irritierte. Er informierte das Liegenschaftsamt, das sich ebenfalls verwundert die Augen rieb, da der Rückübertragungsfall seit dem Tod des alten Abel auf Eis lag. Von den Lehnsfelds war bisher kein konstruktiver Vorschlag zur weiteren Nutzung des Gebäudes gekommen. Es sah nicht gut aus. Im Grunde genommen gehörte die Villa ihnen nur noch auf dem Papier.
    Aaron wollte in den Keller.
    Nicht die Freifrau. Keine albanische Kunstmafia.
    Aaron von Lehnsfeld. Der einsame, verrückte Scherbentaucher.
    Die Kellermaße. Ich musste sie mir einprägen. Aber es war fast vollständig dunkel in dem Raum. Das Fenster wurde zusätzlich durch die Baumkronen beschattet. Dennoch durfte ich kein Licht anmachen. Aber Harry hatte das Rauchen erst vor zwei Jahren aufgegeben. Ich durchsuchte die mittlere Schreibtischschublade und fand tatsächlich, ganz ans Ende gerutscht, ein Streichholzbriefchen. Ich faltete die Pläne auseinander und zündete ein Streichholz an.
    »Brauchst du Licht?«
    Das Deckenlicht flammte auf und blendete mich so, dass ich die Augen zusammenkneifen musste. Die Flamme des Streichholzes erreichte meine Finger, und ich warf es vor Schreck auf den Perserteppich.
    »Was machst du hier? In Harrys Büro?« Sigrun stand im Türrahmen.
    Ich starrte sie an und versuchte zu lächeln. »Ich habe dich gar nicht kommen hören.«

    Es war offensichtlich nicht das, was Sigrun hören wollte. »Wird das ein Einbruch?«
    »Nein. Nicht ganz.«
    Sie machte einen Schritt vor und dann einen zurück. »Was soll das? Muss ich die Polizei rufen?«
    »Komm doch erst mal rein«, erwiderte ich.
    Sie sah unschlüssig in den Flur. Das nächste Telefon stand direkt in meiner Nähe.
    »Du kannst auch schreien«, schlug ich ihr vor. »Vielleicht kommt Walter und bringt dir deine Sig Sauer.«
    »Die habe ich bei mir.« Sie hob die Aktentasche, die sie in der linken Hand trug, leicht an.
    »Seit wann trägst du eine Waffe?«
    »Seit wann brichst du bei Menschen ein, die deine Familie waren? « Sie trat ein und schloss die Tür.
    Ich atmete auf. Verstohlen warf ich einen Blick auf die Pläne. Es waren die Originale. 1922 – Keller groß, 1945 – Keller klein.
    »Was ist das?« Sigrun löste sich von der Tür und trat näher an den Schreibtisch heran. Dabei hielt sie die Aktentasche vor ihre Brust.
    »Baupläne«, erwiderte ich. »Sieh dir das mal an. Hier. Dieser Keller ist größer als der andere. Was hältst du davon?«
    Sie ging um den Tisch herum, hob den Aktendeckel und warf einen Blick darauf. »Ach, Lehnsfeld. Nach der Familie kommen die Freunde an die Reihe. Meines Erachtens sagt die Größe des Kellers nichts über die Rechtschaffenheit eines Menschen aus. Oder vermutest du auch dort wieder geheimnisvolle Zusammenhänge?«
    »In der Tat.«
    Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen, war schmaler geworden. Die gerade Nase hob sich noch schärfer von ihrem Gesicht ab. Die Frau auf den Wahlkampfplakaten gab es nicht mehr. Harte Linien hatten sich neben ihrem Mund eingegraben. Dieses Gesicht hatte kein fröhliches, offenes Lächeln mehr.

    »Wie geht es dir?«, fragte ich leise.
    Sie hob den Kopf. »Meinst du das im Ernst?«
    Ich nickte. Sie ging langsam auf einen Sessel zu, der neben dem Fenster stand. Die Aktentasche stellte sie sorgfältig neben sich ab, dann setzte sie sich.
    »Ganz gut«, sagte sie. »Wir haben einen halben Prozentpunkt zugelegt. Die Wähler sind der Meinung, dass wir unsere Sache ganz ordentlich machen. In fünf

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