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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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hatte nichts Leidenschaftliches mehr. »Bei guter Pflege bist du in einer Woche wie neugeboren. Vielleicht versuchen wir es dann noch einmal.«

    »Marietta, ich …«
    Sie legte mir den Zeigefinger auf die Lippen. »Sag nichts. Es ist in Ordnung.«
    Wir zogen uns wieder an. Marietta lächelte mir zu. Ich wusste, dass es mir nicht peinlich sein sollte. Trotzdem ärgerte ich mich. Ich konnte mich nicht erinnern, wann mir das zum letzten Mal passiert war. Bei Sigrun konnte ich immer. Sigrun. Vermutlich hatte sie mich seelisch kastriert, und das hier war die physische Folge.
    Marietta schloss die Tür wieder auf und ließ mich hinaus. »Ich habe noch zu tun«, sagte sie. Ich nickte.
    »Joachim, hast du irgendetwas mit Kunstraub zu tun?«
    »Nein«, sagte ich ernst. Ich strich ihr mit den Fingerspitzen das Haar aus dem Gesicht. »Aber wenn ich etwas finde, sage ich dir Bescheid.«
    »Da ist noch etwas.« Sie zupfte ein unsichtbares Stäubchen von ihrem Ärmel. »Das ist ein kleines Viertel hier. Man weiß einiges voneinander. Bist du noch mit ihr zusammen oder nicht?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte ich.
    »Ach, es ist auch nicht so wichtig«, erwiderte sie schnell.
    »Doch. Das ist es. Ich werde es herausfinden.«
    Ich küsste sie zum Abschied. »Ich rufe dich an. Ich muss dieses Wochenende vielleicht verreisen. Ich melde mich, wenn ich wieder da bin.«
    Sie nickte. »Das wäre schön.«
    Wir nahmen uns noch einmal in den Arm. Unsere Hüften berührten sich, und mit einem Mal kam das Verlangen wieder. Sie spürte es durch ihren engen Rock hindurch und küsste mich. Zu jedem anderen Zeitpunkt wäre ich geblieben. Doch ich ging zum Wagen und fuhr zurück nach Mitte. Zu einem Rendezvous, dem ich bei aller Freundschaft noch weniger Erfolg wünschte als meinem.

38
    Es war kurz nach acht, als ich endlich einen Parkplatz gefunden und einen halben Kilometer zum Helmholtzplatz gelaufen war. Hier hatte sich ein Sammelsurium unterschiedlichster Lokalitäten angesiedelt. Einige ausgesprochen phantasievoll, andere in ausgeklügeltem Retro-Chic, und in einem von ihnen fand ich Marie-Luise und Georg. Ich schlich mich hinter seinem Rücken an, so dass er mich nicht sehen konnte. Marie-Luise entdeckte mich sofort und nickte mir kaum wahrnehmbar zu. Da alle Tische bereits besetzt waren, setzte ich mich an die Bar, direkt unter einer psychedelischen Deckenlampe, und hoffte, nicht farbenblind zu werden. Ich bestellte ein kleines Bier und holte mir aus dem Wandständer eine Tageszeitung. Hinter ihr verschanzte ich mich und wartete ab.
    Georg trank Wein und aß mit gutem Appetit. Marie-Luise hatte ihr Mineralwasser kaum angerührt, stocherte auf ihrem Teller herum, ließ schließlich die Gabel sinken und wandte sich äußerst liebenswürdig an ihr Gegenüber. Georg tupfte sich den Mund mit der Serviette ab und erhob sich halb. Marie-Luise stand auf und ging in meine Richtung.
    »Komm ins Damenklo«, zischte sie mir zu.
    Ich faltete vorsichtig die Zeitung zusammen und warf noch einen Blick auf Georg. Er aß seelenruhig weiter. Zu den Toiletten führte ein langer, schmaler Gang. Ich klopfte an die Tür mit dem sitzenden Mädchen. Marie-Luise öffnete und spähte kurz an mir vorbei.
    »Meine Güte, was für ein Langweiler. Er muss noch nicht mal pinkeln.«
    »Was machen wir jetzt?«
    »Du fährst, ich bleibe. Mein Leben und Leib für die Ehre des Vaterlandes.«

    Sie nahm meine Hand und legte mir einen Schlüsselbund hinein.
    »Wie hast du denn das geschafft?«
    »Frag mich nicht. Nicht jetzt. Aber tu mir einen Gefallen: Beeil dich. Ich weiß nicht, wie lange ich ihn aufhalten kann.«
    Ich verstaute die Schlüssel in meiner Jackentasche. Dann schlüpfte Marie-Luise wieder an mir vorbei in den Gastraum. Ich wartete noch eine Minute, ging zurück zur Bar, zahlte in aller Ruhe mein Bier, verließ langsam das Lokal und begann erst an der nächsten Ecke zu rennen.
     
    Es war kurz nach neun, als ich im Grunewald war. Noch immer nicht dunkel. Die Straße lag ruhig und verlassen unter den hohen Buchen. Ich passierte die Villa zwei Mal und beschloss, den Einstieg zu wagen.
    Ich ließ die schwere Eingangstür so leise wie möglich ins Schloss gleiten. Dann stieg ich die Stufen zur Kanzlei hoch. In den langen Flur fiel kaum ein Lichtstrahl. Alles war ruhig. Ich schloss Georgs Büro auf, durchquerte es und hoffte, dass Harry die Verbindungstür zu seinem Zimmer nicht abgeschlossen hatte. Ich drückte die Klinke, und die schwere Tür ließ sich

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