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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Wochen wissen wir mehr. Und dir, wie geht es dir?«
    »Hervorragend.«
    Ich setzte mich wieder an den Schreibtisch. »Ich bin in meinem Büro überfallen und zusammengeschlagen worden. Dabei hat man die Kopien dieser Pläne ausgetauscht. Dann wurde ich verfolgt und angeschossen. Milla Tscherednitschenkowa hat die Intensivstation verlassen und erinnert sich daran, dass sie von einem Mann mit einem dunklen Wagen abgeholt wurde. Er hatte ihr gesagt, dass Utz die Bestätigung unterschrieben habe.«
    Sigrun legte die Hand vor die Augen.
    »Dein Vater. Er ist nicht im Januar’45 aus Leba geflohen, sondern bereits im Oktober 1944. Er hat gelogen, was die Zeit betraf, und er hat gelogen, als es um den Grund ging, warum er nach Berlin zurückwollte. Er kam genau richtig zu Nataljas Verhaftung und Verurteilung.«
    Ich strich die Papiere vor mir auf dem Schreibtisch glatt. »Diese Pläne beweisen, dass der alte Lehnsfeld in seinem Keller einen Geheimraum angelegt hatte. Jahrzehntelang konnte man sich nicht darum kümmern, was in diesem Keller war. Dann gab es das Gerangel um die Rückübertragung. Die Lehnsfelds haben das Grundstück erhalten, allerdings unter strengen Auflagen. Aaron hält sich nicht daran und beginnt zu graben. Wo? Hier. An der Außenmauer des verborgenen Raumes.«
    »Was soll das?«, unterbrach sie mich müde. »Warum erzählst du mir das alles?«

    Ich stand auf, ging zu ihr hinüber und setzte mich vor sie auf den Boden.
    »Das bedeutet, dass möglicherweise in diesem Keller Kunstschätze von sehr großem Wert lagern. Dass durch Zufall Natalja davon erfahren hat und dass sie deshalb sterben sollte. Es war ein abgekartetes Spiel zwischen deiner Großmutter, Wilhelm und Abel. Und mittendrin zwei Kinder, dein Vater und Natalja.«
    Sigrun beugte sich mit geschlossenen Augen vor und schob mich weg. Ich nahm ihre Hand.
    »Zwei Unschuldige. Ein fast verloren gegangenes Vermögen. Und eine Zeugin, von der man sicher war, dass sie nicht mehr lebte. Die zum ungünstigsten Zeitpunkt wieder auftauchte.«
    Sie stieg über mich hinweg und trat an den Schreibtisch. Vorsichtig berührte sie die Pläne. »Wer sagt dir, dass in diesem Kellerraum überhaupt etwas ist? Der Krieg, die Bomben. Vielleicht ist er voller Schutt.«
    »Nein«, sagte ich und stand auf. »Es sind Kisten darin. Kisten und Bretter. Ich habe sie gesehen.«
    Sigrun schüttelte den Kopf. Mit drei schnellen Schritten war sie bei ihrer Aktentasche und packte sie.
    »Ich weiß noch nicht, ob ich meinem Vater von deinem Einbruch erzähle. Eines aber ist sicher: Mit deinen Fieberphantasien werde ich ihn verschonen.«
    »Sie haben auf mich geschossen, Sigrun.«
    »Das hätte ich auch um ein Haar. Vielleicht gehört es zum Berufsrisiko, wenn man ständig in anderer Leute Häuser eindringt.«
    Sie drehte sich um und ging zur Tür.
    »Sie haben Nataljas Adresse. Sie werden nach Kiew fliegen und sie umbringen.«
    Sie fuhr herum. »Beweise! Zeig mir einen einzigen richtigen Beweis! Das sind doch alles bloß Vermutungen.«
    Ich griff in die Tasche und holte Verenas Ring hervor. »Hier. Kennst du ihn?«

    Sie betrachtete den Ring, und als ich ihn ihr noch einmal auffordernd entgegenhielt, nahm sie ihn in die Hand.
    Ich erzählte ihr, wie ich in seinen Besitz gelangt war. Sigrun war nichts anzusehen. Keine Enttäuschung, kein Schmerz. Sie presste die Lippen zusammen und hörte mir zu. Als ich geendet hatte, gab sie ihn mir zurück.
    »Dieses Stück ist im Register der verschollenen Kunstschätze des Zweiten Weltkrieges verzeichnet. Abel von Lehnsfeld war im Dritten Reich eine Art staatlicher Kunsträuber. Das hat ihm die Gelegenheit verschafft, sich auch noch privat zu bereichern. Seinem Enkel Aaron vererbte er das Haus mitsamt den Instruktionen, was wo zu finden ist. Und er vermachte ihm noch zwei weitere bedauerliche Untugenden: Ungeduld und Gier. Hätte Aaron nicht versucht, von mir zusätzlich zu der Rückgabe des Ringes Geld zu erpressen, mir wären die Zusammenhänge nie aufgefallen.«
    Sigrun ging zum Fenster. Lange schaute sie schweigend in den dunklen Garten.
    »Warum hast du ihr den Schlüssel gegeben?«
    Sie antwortete nicht. Da sah ich ihre Schultern. Sie zuckten. Noch immer hörte ich keinen Laut von ihr.
    »Sigrun! Sag mir, warum du das getan hast.«
    Sie klappte einfach zusammen. Ich stürzte zu ihr und richtete sie auf, so dass sie halb in der Hocke saß und halb auf mir lag. Sie schluchzte so sehr, dass sie am ganzen Körper bebte. Ich drückte ihren

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