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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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konnte sich jedoch nicht lange an dem Schnäppchen freuen. Die Russen komplimentierten ihn unmittelbar nach Kriegsende aus der Villa hinaus. 1953 ging der Besitz in Volkseigentum über und wurde seitdem von einem antifaschistischen Ruderclub genutzt. Dieser Club hatte sich als hartnäckig erwiesen und das Haus über die Wende hinaus gehalten, geriet dann jedoch in Zahlungsschwierigkeiten. Die Lehnsfeldschen Restitutionsansprüche gaben ihm den Rest. Er musste weichen, und Lehnsfeld erhielt sein Eigentum zurück. Seitdem waren acht Jahre vergangen.
    Doch wieder machte die Geschichte der glücklichen Heimrückführung einen dicken Strich durch die Rechnung. Glicksbergs Erben tauchten auf. Ihnen kam der damalige Kaufpreis verdächtig gering vor, und sie wandten sich an die Jewish Claims Conference.
    Man einigte sich letzten Endes auf den größten gemeinsamen Schaden: Glicksbergs Nachfahren bekamen weder Geld noch Haus, Abel erhielt zwar das Anwesen inklusive des mehrere Hektar großen Seegrundstücks, doch er musste sich an die Auflagen
halten. Gemeinnützigkeit. Nicht gerade der Lehnsfeld’sche Wappenspruch.
    Bis jetzt war das alles eine Angelegenheit unter dreien gewesen. Doch nun trat das Land Berlin auf. Eine Weile dräute das Damoklesschwert der Rückabwicklung über dem zerbrechlichen Deal. Dann nämlich träte der Rechtsstand vom Datum vor dem Verkauf in Kraft, was den Erben den Zugriff auf das Grundstück wiederum gestatten würde. Es kam jetzt sehr darauf an, dass Aaron sich still, leise und vor allem gemeinnützig verhielt.
    Nach zwei Stunden und mehreren Kopfschmerztabletten fühlte ich mich genug vertraut mit dem Fall, um die Lehnsfelds zu kontaktieren. Soweit ich wusste, hatte Aaron kein eigenes Büro. Deshalb war ich nicht erstaunt, Verena am Apparat zu haben.
    »Ich muss mit Aaron sprechen. Wie kann ich ihn erreichen?«
    »Wegen dieser Villa?«, fragte sie zurück. »Können Sie nicht irgendetwas unternehmen? Er muss sich das aus dem Kopf schlagen. Mein Mann ist außer sich. Nächste Woche hat er den Termin in Madrid, und wenn er die Ausschreibung gewinnt …«
    »Wenn Aaron sich ruhig verhält, ist die ganze Sache in ein paar Wochen erledigt.«
    »Ich weiß nicht, was in dem Jungen vorgeht.« Sie seufzte. »Er wohnt jetzt am Potsdamer Platz. Und er braucht Geld. Immer mehr Geld. Ich gebe ihm ja schon, was ich habe. Mein Mann darf das nicht erfahren, er hat ihm doch genug angeboten. Manchmal glaube ich, er will seinem Vater bewusst schaden. Warum? Was hat er ihm getan?«
    »Große Kinder, große Sorgen«, gab ich aus dem reichen Born eigener Erfahrungen zum Besten. »Wie kann ich ihn erreichen? «
    »In unserer Stadtwohnung. Im Beisheim-Center. Aber wir haben da nur ein Parkside-Apartment.«
    Nur ein Parkside-Apartment. Und mit viel Glück käme demnächst dann wohl »unser Häuschen im Osten« dazu.

    Sie gab mir die Nummer. Ich bedankte mich, legte auf und wählte selbst. Er war nicht zu Hause. Ich hinterließ eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter, dass er sich umgehend bei mir melden sollte.
    Ich ging hinüber zu Connie, die sich gerade der Hege und Aufzucht kompliziert auszusprechender Grünpflanzen auf dem Fensterbrett widmete.
    »Mir fehlen noch Grundbuchauszüge zu einer Akte.«
    Sie stellte die Gießkanne ab. »Welche?«
    Connie war die Einzige, die über alles, wirklich alles informiert war.
    »Lehnsfeld. Die Rückübertragung.«
    Connie schüttelte den Kopf. »Ich glaube, wir haben den Vorgang bereits vollständig aus dem Katasteramt gezogen. Warte.«
    Sie ging in Utz’ Büro. Die Tür ließ sie offen. Das machte sie nur, wenn der Alte nicht da war.
    »Kommst du mal?«
    Es war ungewöhnlich, das Zimmer zu betreten, ohne seine Gestalt hinter dem Schreibtisch wahrzunehmen. Die Nachmittagssonne fiel schräg auf den Schreibtisch und ließ das dunkle Holz geheimnisvoll glänzen. Die Sichtachse des Wörlitzer Parks lag im Halbdunkel. Ich konnte kaum glauben, dass die Amis dieses Bild übersehen hatten. Vermutlich war der Chef ein Kulturbanause gewesen, und der Rest der Kompanie hatte sich nicht getraut, ihn darauf hinzuweisen.
    Sie reichte mir einen Ordner und wandte sich dann wieder zum Schrank. »Schau doch mal nach. Wenn es da nicht drin ist …«
    Ich legte ihn auf Utz’ Schreibtisch ab. In diesem Moment klingelte Connies Telefon. Sie lief in ihr Büro und sprach mit einem Anrufer, der offensichtlich in Schwierigkeiten zu sein schien, denn sie redete beruhigend auf ihn ein. Ich schlug den

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