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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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bezahlen konnten. Schmiedgen drückte mir vielbeschäftigt die Hand.
    »Joachim Vernau«, sagte Marie-Luise. Es klang wie: »Er trägt Calvin-Klein-Unterhosen, isst Hamburger-Royal-TS und liest John-Sinclair-Romane.«
    Schmiedgen nickte. »Kanzlei Zernikow, stimmt’s? Die Kollegin hat mir von Ihrer Strategie erzählt. Grober Undank. Damit kommen Sie nicht durch.«
    Ich hob die Augenbrauen und sah amüsiert auf die Kollegin herab. Ich würde ihr den Absatz über die anwaltliche Schweigepflicht
noch einmal faxen. Sie schickte Schmiedgen ein anbetendes Lächeln.
    »Aber nicht schlecht«, fuhr er fort. »Nicht schlecht. Wir sollten mal zusammen essen gehen.«
    Marie-Luise sackte das Kinn hinunter. Ich hätte es ihr am liebsten mit einem liebevollen Klaps wieder an die richtige Stelle geschoben. Schmiedgen nahm sie in die Arme, küsste sie solidarisch dreimal auf die Wangen und eilte davon. Marie-Luise starrte ihm hinterher. Sie hatte vermutlich auf eine pointiertere Reaktion gehofft.
    »Du hast es gehört«, fuhr sie mich an. Sie wollte die Akten in ihre Tasche packen, dabei rutschte die Hälfte der Blätter heraus und segelte anmutig wie Schwalben über den Fußboden.
    »Ach, Scheiße«, sagte sie. Ich half ihr beim Einsammeln und vermied es auffällig, einen Blick darauf zu werfen.
    »Im Moment rutscht mir alles aus den Händen. Autoschlüssel, Gläser, Akten. Versteh ich nicht. Also?«
    »Er will nur mit mir essen gehen. Du musst nicht eifersüchtig sein.«
    Sie zeigte mir einen Vogel.
    »Ist er der Grund für dein plötzliches Interesse an Strafrecht? Er hat übrigens die letzten vier Prozesse keine Bewährungsstrafe rausholen können. Beim Fußball nennt man das einen schlechten Lauf.«
    Sie kruschte die Papiere in ihre Aktentasche und wollte an mir vorbei.
    Ich hielt sie am Ärmel fest. »Wir hatten eine Abmachung.«
    »Ach ja?« Sie drehte sich weg und sah hinunter ins Treppenhaus. Schmiedgen hatte gerade den unteren Absatz erreicht und zog mit Leibeskräften die schwere Tür auf. Er drehte sich noch einmal um und winkte ihr zu. Sie hob die Hand. Als er verschwunden war, ließ sie sie sinken.
    »Da bin ich anderer Meinung. Das ist ein Dokument. In diesem
Dokument geht es um Zwangsarbeit, wie du ja mittlerweile weißt. Kein nettes Wahlkampfthema für deine Zukünftige. Aber vielleicht für die Opposition?«
    Ich verstand. »Was du hast, ist die Kopie einer Kopie einer Kopie. Vergiss es einfach.«
    Sie schüttelte langsam den Kopf, und diese Bewegung kannte ich nur zu gut. »Du verlangst von mir, das Schicksal einer Zwangsarbeiterin zu vergessen, die im Hause deiner Zukünftigen gearbeitet hat, die in gut sechs Wochen eine Wahl gewinnen will, nach der sie als erste Innensenatorin Berlins nach Hause geht? Kann es sein, dass ich da ein paar höchstpersönliche Interessen entdecken muss? Hat sie dich geschickt?«
    »Nein«, antwortete ich. »Mich hat niemand geschickt. Aber es ärgert mich, dass ich dir vertraut habe.«
    Sie sah mich lange an, und ich hielt ihrem Blick stand. Vertrauen war etwas, mit dem man sie ködern konnte.
    »Freitagabend bei mir. Neun Uhr. Früher schaffe ich es nicht. An die Adresse wirst du dich wohl noch erinnern.«
    Sie nahm ihre Tasche und ging den Gang hinunter. Mein Blick fiel auf ihren Hintern. Ich hätte heute Morgen nicht die Cranberries hören sollen.

13
    In der Kanzlei rief mich meine Mutter an. Sie hatte ein böses Schreiben vom KaDeWe bekommen und fragte, ob ich sie im Falle einer Anklage vertreten würde. Ich beruhigte sie. Dazu würde es nicht kommen. Sie war, soweit mir bekannt war, nicht vorbestraft.
    »Oder?«
    Sie schnaufte ins Telefon. Je länger sie sich mit der Antwort Zeit ließ, desto unbehaglicher wurde mir zumute. »Mutter?«

    »Nein«, antwortete sie schließlich. »Ich glaube nicht.«
    Ich riet ihr, mich zurückzurufen, wenn sie ihr Sündenregister überprüft hatte, und bat Connie, die nächste Stunde niemanden zu mir durchzustellen.
    Ich widmete mich Aarons Bausünde und kam jetzt endlich dazu, den ganzen Rückübertragungsfall ungestört durchzuarbeiten.
    Felix Glicksberg, ein jüdischer Zuckerfabrikant, war rechtzeitig unmittelbar nach der Machtergreifung der Nazis nach Mexiko ausgewandert. Er hatte die Villa in Grünau an Abel von Lehnsfeld verkauft, zu einem unverschämt günstigen Preis. Aber immerhin waren die dreißigtausend Reichsmark geflossen und quittiert. Die Summe war gerade hoch genug, um nicht als Raub deklariert zu werden.
    Abel von Lehnsfeld

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