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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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Schwiegervater, wie man so hört.«
    Sie sah mir mit zusammengekniffenem Mund dabei zu, wie ich mit einem Stück Fladenbrot den Teller auswischte. »Und wer zahlt?«
    »Der Stiftungsfonds. Die Wirtschaft, wenn du so willst. Ein Teil derer, die sich ihr unvorstellbares Vermögen auf dem Rücken der Zwangsarbeiter zusammengerafft haben. Aber leider nur ein Teil.«
    Ich sah sie fragend an.
    »Viele fühlen sich einfach nicht mehr verantwortlich. Erben, die sich in den Vorwurf der Sippenhaft versteigen. Nach dem Motto, es ist mir egal, woher das Geld kommt, von dem ich lebe, ich bin ja nur der Sohn. Oder der Enkel. Du erinnerst dich?«
    Sie spielte auf einen Schweizer Milliardär an, der sich mit diesem Argument lange Zeit geweigert hatte, in den Fonds einzuzahlen. Sein Großvater hatte sein unvorstellbares Vermögen in der Rüstungsindustrie verdient und hatte zum engeren Kreis der Kunstfreunde um Hitler gehört.
    »Zernikow ist auch ein Sohn.«
    Sie zündete sich die nächste Zigarette an. »Und er hat sich geweigert zu unterschreiben. Stimmt’s?«
    Ich war nun an dem Punkt angelangt, wo ich sie entweder einweihen musste oder alles auf sich beruhen lassen konnte.
    Marie-Luise nahm mir die Entscheidung ab. Sie wies auf mein blaues Auge. »Hat das was damit zu tun?«
    »Es war die Treppe. Ende.« Zum ersten Mal seit Tagen dachte ich wieder an Milla und an meinen halbherzigen Schwur. Ich fragte mich, wo sie geblieben war. »Utz hat sich strikt geweigert, diesen Brief auch nur zu lesen.«
    »Warum?«
    »Er hatte das Gefühl, jemand will sich an ihm bereichern.«

    Marie-Luise starrte mich mit großen Augen an. »Bereichern?«, fragte sie.
    »Natalja ist tot. Seit sechzig Jahren. Vielleicht benutzt jemand ihren Namen, um an Geld zu kommen.«
    »Wer soll so etwas machen?«
    »Der Überbringer der Nachricht vielleicht. Hintermänner.«
    Sie sah mir wohl an, dass ich mit dieser Antwort nicht zufrieden war. Ich schob den schwarzen Peter gerade auf Olga, und das passte nicht zusammen. Ihre Armut und ihre Bescheidenheit, die Bitte, Utz diesen Zettel zu geben. Ein Zettel, der offiziell vernichtet war und dessen Kopie Utz aus meinem Schreibtisch gestohlen hatte. Von Olgas Besuch war nur noch das zerknitterte Thermofax in Marie-Luises Hand übrig.
    »Wer hat denn diese Nachricht überbracht? Kann man mit ihm reden?«
    »Mit ihr«, sagte ich. »Es war eine Frau.«
    »Dann sollten wir sie umgehend fragen, was es mit dieser Bescheinigung auf sich hat.«
    »Das geht nicht.«
    »Warum nicht?«
    Ich holte tief Luft. »Weil sie auch tot ist.«
    Marie-Luise riss die Augen auf. »Bitte? Seit wann?«
    »Ein Unfall. Am gleichen Abend.«
    »Das ist … erstaunlich.« Sie zündete sich die dritte Zigarette an.
    Der Libanese stellte die Grillplatte vor mich hin. Sie sah köstlich aus, doch ich konnte nicht mehr. Ich war satt. Ich bat ihn, mir alles einzupacken, und bestellte das nächste Bier.
    Marie-Luise runzelte die Stirn. »Vielleicht denkst du mal nach, statt dich zu besaufen.«
    »Da gibt es nichts nachzudenken. Es war eine Verwechslung. Oder die Stiftung hat sich geirrt. Und die Frau, die gestorben ist, war nur der Bote.« Geben Sie ihm Bescheinigung. Es ist wichtig.
Eine Sache zwischen Utz und Natalja. Das war keine Verwechslung. Und Marie-Luise kannte mich immer noch gut genug, um zu wissen, dass ich es selbst nicht glaubte. Ich streckte die Hand nach dem Fax aus. »Gib es mir.«
    »Was hast du vor?«
    »Ich werfe es weg. Vergiss einfach, dass ich dir das Schreiben jemals gefaxt habe.«
    »Warum?«
    »Was?«
    »Warum hast du es mir gefaxt?«
    Ich hielt immer noch die Hand auf. Marie-Luise faltete langsam das Papier zusammen und steckte es sich in den Ausschnitt. Vielleicht hielt sie das für den Ort, an den sich meine Hand am wenigsten verirren würde. Sie hatte den Kartoffelschnaps unterschätzt. Und die Enthaltsamkeit. Und Zombie am Morgen, wenn man nicht mehr wusste, wohin mit dem Testosteron.
    »Weil du Russisch kannst.« Ich grinste sie mit dem dreckigsten Lächeln an, das ich auf Lager hatte. Aber es schreckte sie nicht im Mindesten.
    »Ist das alles?«
    »Alles«, antwortete ich. »Also her damit.«
    Sie lehnte sich wieder zurück. Und zwar so, dass jetzt nicht nur ihre Brüste das Tanktop spannten, sondern auch der Zettel unter dem Stoff genau zu sehen war. Würde ich sie nicht so gut kennen, könnte man diese Geste glatt für die Aufforderung halten, ihr das Shirt vom Leib zu reißen und sich zu holen, was man …
    Ich riss

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