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Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen

Titel: Das Kindermädchen - Herrmann, E: Kindermädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elisabeth Herrmann
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elf. Ich verhedderte mich mit den Stuhlbeinen, so dass ich beinahe das Gleichgewicht verloren hätte. Marie-Luise griff mir unter die Arme. Mir wurde heiß. Sehr heiß.
    »Seit wann verträgst du denn nichts mehr?«
    Ich beeilte mich, mein Gleichgewicht wieder zu finden. Gemeinsam gingen wir zur Tür und traten hinaus auf den Gehsteig. Der ausglühende Sommerhimmel leuchtete mit einer unglaublichen Intensität. Das dunkle Ocker im Westen traf die samtblaue Nacht des Ostens in der Mitte, sie wölbte sich über den Dächern wie ein Theatervorhang, vor dem sich die klare Silhouette der Stadt erhob. Die Straßenlaternen funkelten wie Diamanten, und die Baumwipfel klebten als dunkelgrüne Scherenschnitte auf einem verlaufenden Horizont, der hellblau begann und weit oben im Schwarz endete. Und es duftete süß, wie Lindenblüten. Oder Flieder. Oder wie Marie-Luises Haare.
    »Marie-Luise.«
    Sie drehte sich um und sah mich an. »Fahr nach Hause, Joachim.«
    »Und wie soll das jetzt weitergehen?«
    »Was?«
    »Mit dem Zettel und mit uns und allem.«

    »Mit uns – gar nicht. Mit der Kopie – weiß ich nicht. Und sonst?«
    Oben in ihrer Wohnung brannte Licht.
    »Du denkst, eine wie ich kriegt keinen mehr ab. Nach dir kann nur noch die Wüste kommen, mit Disteln im Haar und zerrissenen Kleidern, stimmt’s? Irrtum. Ich bin nicht allein. Ich werde geliebt. Du auch?«
    Vielleicht sollte ich sie küssen, damit sie endlich aufhörte, dieses wirre Zeug zu erzählen. Ich wollte nach ihr greifen, da kam der Libanese. Er brachte leider keinen Kartoffelschnaps auf die Straße, noch nicht einmal das Wechselgeld, sondern meine in Alufolie eingepackte Grillplatte. Ich stand da wie ein Pizzabote. Sie drehte sich um und ging über die Straße.
    »War das alles?«
    Ich lief hinter ihr her. Vor ihrer Haustür holte ich sie ein, und sie ließ natürlich wieder die Schlüssel fallen.
    »Lass mich in Ruhe«, sagte sie irgendwo im Dunkeln. Dann tauchte sie plötzlich vor mir auf. Ihr Gesicht war ganz nahe. Ich konnte die goldenen Pünktchen in ihren Augen sehen. Obwohl es so dunkel war. Und in ihrem Ausschnitt leuchtete etwas weiß, mit dem sie Sigrun das Leben zur Hölle machen konnte. Ich war so ein Idiot.
    »Was hast du vor?«
    »Geh zu Zernikow und sag, er soll unterschreiben.«
    »Das kann ich nicht.«
    »Dann habe ich dir nichts mehr zu sagen.« Sie drängte an mir vorbei und schloss die Tür auf.
    Ich musste sie aufhalten. Wenn sie jetzt da hineinging, war etwas verloren. Ob für mich, für Utz, für Sigrun, für das Gute im Menschen schlechthin – keine Ahnung. Ich hatte genug Kartoffelschnaps intus, um die schwärzeste Seele zu desinfizieren.
    »Hilf mir«, sagte ich. Ich wusste nicht, wobei. Aber Frauen hören so etwas gerne.

    Langsam ging die Tür zu. Aus. Ende. Mir wurde schwindelig. Die Grillplatte wurde kalt. Dann stand Marie-Luise im Türrahmen und musterte mich.
    »Bitte«, sagte ich. Mehr gab es nicht. Natürlich könnte ich noch auf die Knie fallen.
    »Ich kenne jemanden, der uns weiterbringt.«
    Hoffentlich kein Paartherapeut. »Ich melde mich nächste Woche. Früher geht es nicht. Ich hab viel zu tun.«
    Sie nickte mir noch einmal zu. Sehr distanziert, sehr professionell. Die Tür fiel krachend ins Schloss.
    Der Libanese von gegenüber hatte wieder nichts zu tun. Er sah zu mir und winkte herüber. »Frauen«, rief er. »Kann man nix machen.«

15
    Der Gestank ist nicht das Schlimmste am Knoblauch. Den müssen andere ertragen. Das Schlimmste ist der Durst danach. Ich hätte mich ohne Verlängerungsschlauch direkt an den Wasserhahn hängen können.
    Harry überließ mir eine Klinikpackung Fisherman’s Friends, Connie kam mit dem Servieren von Eiswasser kaum noch nach, und ich versuchte herauszufinden, was in unserem Garten los war. Einige Irre warfen unter ohrenbetäubendem Lärm Eisenstangen aufeinander. Es folgte infernalisches Gebrüll. Entweder übten sie gerade für die Highland-Games, oder sie erlegten sich gegenseitig. Jetzt kam ein Mann im Arbeitsoverall um die Ecke, stellte sich hinter den Goldregen und fing an zu pinkeln. Ich öffnete das Fenster.
    »Was wird das hier eigentlich?«
    Er ließ sich nicht im Mindesten stören. »Geburtstag. Zweihundert
Gäste. Vier Pavillons und ein Küchenzelt. Hoffentlich regnet es bald.« Mit einem herzhaften Ruck schloss er seinen Reißverschluss. »Sie sind wohl nicht geladen, wa?«
    Sigruns Geburtstag. Auch das noch.
    Connie kam mit einem ihrer gelben Zettel herein. »Probier

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